Radiohead, Grouper, LoneWochenend-Walkman – 05. November 2021

WWalkman-05112021-banner-gif

Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Radiohead, Grouper und Lone.

Radiohead KID AMNESIA Cover

Radiohead: KID A MNESIA

Ji-Hun: Als 2000 „Kid A“ und kurze Zeit später „Amnesiac“ erschienen, waren Radiohead für mich die größte Band der Welt. Damit mache ich mich natürlich weder besonders expertig noch nischig. Das fanden viele andere auf der Welt nicht anders. Anfang 20, neues Leben, endlich von zu Hause ausziehen. Gerade im Kontext mit dem Vorgängeralbum „OK, Computer“ hatte die Band aus Oxford für mich in wenigen Jahren nicht weniger als die (Rock-)Musik neu erfunden. Ich kannte damals aber auch nicht viel. Die Songs beider Alben sind indes während der selben Aufnahmesessions entstanden. Dennoch führten die Release-Strategie und das charismatische Songlisting dazu, dass „Kid A“ und „Amnesiac“ von Fans und Kritik sehr unterschiedlich aufgenommen wurden. Auch kommerziell war „Kid A“ erfolgreicher als sein Nachfolger, der ja eigentlich gar keiner ist. Dass das zweite viel sperriger wäre, dass auf dem ersten mehr Hits drauf seien oder dass „Amnesiac“ nur ein schnelles Vermarkten zweitklassiger Songs gewesen sei, um nach dem Erfolg von „Kid A“ noch mehr aus der Kommerzkuh Radiohead zu melken. Die richtig Coolen fanden natürlich „Amnesiac“ viel besser. Worüber nicht alles diskutiert wurde. Gab ja auch kein Internet damals. Zum 20-jährigen Jubiläum versuchen Radiohead mit dem Re-Release beider Alben als „KID A MNESIA“ auch diese Schieflage gerade zu rücken. Beide Alben sind eigentlich eines. Keines hat eine mindere Qualität, ganz im Gegenteil. Als zusammenhängendes Werk gehört, wird die epochale Gewalt dieser Musik nur noch deutlicher und größer. Für Fans ist diese Erkenntnis natürlich kein Mehrwert. Auch ist das Bonusmaterial der Rede nicht wert, wenn auch mit „If You Say The Word“ ein unveröffentlichter Track dabei ist. Aber zum Geburtstag die Alben und dazu eine Kerze anmachen, das werde ich tun. An frühere Konzerte der Band denken, mich fragen, wieso war diese Musik und ihre Produktion seinerzeit eigentlich so perfekt, ist sie es immer noch, und was habe ich die letzten 20 Jahre überhaupt gemacht?

WWalkman05112021-Grouper

Grouper – Shade

Thaddi: „Followed the ocean“, der Track, mit dem das neue Album von Liz Harris beginnt, klingt ungefähr so, wie es sich aktuell in meinem Kopf anfühlt, wenn ich morgens aufwache. Das ist meistens gegen 4.30 Uhr, wenn mich das Gehirn freigibt und aus Träumen entlässt, die sich allesamt wie Blade Runner in schwarzweiß und mit mehr Zombies, die ich alle persönlich kenne, gestalten. Rauschend, knisternd, leer, weit weg und doch ganz nah. Was für ein Auftakt mit neues Material von Grouper! Wo kommen diese Songs nur her. Wie schafft es die Musikerin immer und immer wieder? Woher diese Zurückhaltung, dieses Auf-den-Punkt. Und vor allem? Woher die meist so leise Energie?. Denn natürlich ist „Followed the ocean“ nur der Weckruf, das Ich-bin-wieder-da. Dass Stille Kraft hat, weiß ich schon sehr lange. Kaum etwas anderes fasziniert mich jedoch mehr.

lone

Lone – Always Inside Your Head

Jan-Peter: Hm. Ich weiß nicht recht, ob mich das durchweg überzeugt, was [/sounds/wochenend-walkman-diesmal-mit-florist-lone-und-koriandr) da auf seinem neuen Album darbietet. Manchmal ja, wenn es wie am Anfang oder auch später im Album nette Nineties-Drum-and-Bass-Reminiszenzen gibt. Überhaupt sagt mir das Atmosphärische grundsätzlich zu, auch die unüberhörbare Liebe zum Triphop finde ich sympathisch. Manchmal wird es schön deep, die Harmonie trifft, dann aber kommen komische Untiefen und es driftet ins Kitschige, ja fast Fokloristische ab, besonders dann, wenn Panflöten die Motive abrunden wollen oder man fürchtet, gleich kommt Enya um die Ecke. Bisschen too much hie und da, mal klingt es wie die 34. Ausgabe von Café del Mar, dann krachen 303-Vogelgezwitscher oder eine harte Bassdrum rein. Wogegen erstmal nichts einzuwenden ist, aber vielleicht habe ich auch einfach ein zu nostalgisches Album-Verständnis, es fehlt mir ein bisschen der Faden. Der Abschlusstrack allerdings ist episch. Einmal, zweimal in meinem Kopf, ja geht klar für mich. Dreimal auch. Always lieber nicht.

Guy DermosessianUnser Mix der Woche

Frequenzfilter 06. November 2021 – andere Medien, andere ThemenFeuer, Helene Fischer, Musik an der Wall Street