5 Jahre „Paradise Plantation“ und der Mikrokosmos BielefeldEin Gespräch mit Tomi Brada
14.2.2020 • Sounds – Interview & Fotos: Benedikt BentlerLassen wir die Witze. Längst haben es Künstler aus Bielefeld in die Lineups bekannter Clubs und Festivals, in die Kataloge namhafter und zeitgeistiger Labels und selbst an die Moderations-Mikros relevanter Radiosender geschafft. Dass dies nicht nur Fakt, sondern darüber hinaus auch in der Stadt selbst eine Menge los sei, erzählt unser Redakteur ostwestfälischer Herkunft seit Jahren. Und ebenso lange steht die entsprechende lokalkolorierte Geschichte auf der Agenda. Nun schien der Anlass gekommen: 5 Jahre „Paradise Plantation“-Party. Sie überzeugt mindestens vier Mal im Jahr einen namhaften DJ von der Existenz der ostwestfälischen Kleinstmetropole, sorgfältigem Booking, gutem Sound und engagiertem Publikum sei Dank. Benedikt Bentler hat sich nicht nur mit Veranstalter Tomislav Hrgovic alias DJ Brada getroffen und ein ausführliches Gespräch über den lebendigen Bielefelder Mikrokosmos geführt, sondern auch gleich die Kamera mit zur Geburtstagsparty genommen. Beweisfotos, die von sympathischen Türstehern, einem sich pudelwohl fühlenden Bufiman und einer Crowd zeugen, die es nicht im Geringsten nötig hat, sich zu verstecken.
Ich war schon auf der Paradise Plantation, an dem Abend hattet ihr Skatebård zu Gast.
Oh, das war legendär, da hast du ein gutes Datum erwischt. Das war auch eines meiner Highlights der vergangenen fünf Jahre. Er wollte nicht aufhören, wir haben den einfach nicht vom Pult losreißen können. Bis halb zehn hat er dann gespielt.
Zu der Zeit gab es die Paradise Plantation aber auch schon eine Weile. Wie hat alles vor fünf Jahren angefangen?
Ich bin zu der Zeit zurück nach Bielefeld gezogen, nachdem ich ein paar Jahre in Bad Salzuflen gelebt hatte. Irgendwann bin ich dann auch mal wieder feiern gegangen und habe die Läden am Boulevard abgeklappert, war im Elephant und natürlich auch im Forum – das übliche. Um sechs Uhr morgens lief ich dann dort unter der Brücke des Ostwestfalendamms entlang, wo jetzt das Nr.z.P. ist. Und ich dachte: Da ist ja ernsthaft was los. Was geht hier denn ab? Ich kannte die Location überhaupt nicht. Ich bin dann rein, fand es total cool und bin mit Leuten ins Gespräch über Musik gekommen. Und dann kam Alexander Möhle, der Gründer vom IBS dazu. So hießt die Location damals ja noch. Und er fragte: Du redest so enthusiastisch über Mucke, wer bist du, ich kenn dich nicht? Wir trafen uns dann nochmal am nächsten Tag, und er fragte mich schließlich, ob ich nicht auflegen möchte bzw. ob wir zusammen eine Party machen wollen. Ich war total begeistert. Ich fand es bis dahin immer ziemlich schwer, in Bielefeld Fuß zu fassen, ob nun als DJ zum Auflegen oder für das Veranstalten einer eigenen Party. Es war ja ein relativ enger Kreis von Leuten maßgeblich verantwortlich und da bekam man einfach keinen Zugang. Ich hatte keine Ahnung, wie wir unsere Party nennen sollten, aber Alexander hat ein gutes Gespür für den Zeitgeist, kennt sich in Sachen Marketing aus. Er kam dann recht schnell mit dem Namen Paradise Plantation und hat auch diese schlichten Artworks gemacht, dank derer die Party ja auch recht schnell bekannt wurde. Wir haben dann einfach losgelegt, wobei unser wichtigstes Credo war: jede Party ein ordentliches Booking – keine Ausnahmen.
Nummer zu Platz und Paradise Plantation
Was hat es mit dem IBS auf sich?
IBS bzw. Initiative Bielefelder Subkultur ist der Verein, der hinter dem Nr.z.P. steht. Dessen Gründung ist aus der Schließung des Kamps hervorgegangen. Nr.z.P. heißt der Laden, weil da früher eine Zulassungsstelle war. Man musste dort eine Nummer ziehen und die wurde dann Platz XY zugewiesen. Da hängt auch immer noch ein Schild auf dem das steht.
Für mich sind Location und Party untrennbar miteinander verknüpft, der Ort ist Teil des Konzeptes. Es wird die Paradise Plantation niemals an einem anderen Ort geben.
2016 oder 2017, ich weiß nicht mehr genau, hatten wir eine echt schwere Zeit, weil der Betrieb bis dahin de facto illegal war. Brandschutz, Lärmschutzgutachten, diese ganzen Abnahmen haben gefehlt. Allein das Lärmschutzgutachten kostet schon 4.000 Euro. Über Veranstaltungen sollten die Mittel reinkommen, aber die durften wir ja eigentlich nicht machen. Da haben wir überlegt, ob wir es woanders machen. Aber die beiden sind unzertrennlich – zumindest solange es Nr.z.P. gibt.
Direkt neben dem Nr.z.P. befindet sich ja das Cutie. Ebenfalls eine ehemaligen Ladenfläche, fast baugleich könnte man sagen. Es hat für mich immer den Anschein gehabt, dass das irgendwie zusammengehört. Zumal Events ja gleichzeitig stattfinden und man im Staff-Bereich ja auch von einem zum anderen kommt. Gehören die beiden irgendwie zusammen?
Ich glaube das ist eine Frage, die sich ganz viele schon gestellt haben (lacht). Ich löse das gerne mal auf: Hendrik Wortmann, der das Cutie macht, war Gründungsmitglied des Vereins IBS. Irgendwann hat er das Cutie parallel eröffnet und ist dann auch aus dem Verein ausgetreten. Das Cutie wird auch kommerziell betrieben, was meines Erachtens den Unterschied ausmacht. Es nervt dann nur, wenn die Leute an der Tür sich beschweren, dass wir fünf Euro Eintritt nehmen, obwohl die Tür nebenan keinen verlangt. Da denk ich mir: Ey Leute, weniger verdienen kann hier keiner. Umsonst gibt’s diese Künstler eben nicht. Es machen zwar alle auf bedacht und fair, gutgehen und Buddha, aber dass immer auch Leute bezahlt werden müssen, checken manche nicht. Allein Gage, Hotel, Flug für den DJ, wobei wir letzteres möglichst vermeiden.
Welche Idee steht hinter eurem Booking bzw. dem Sound, der bei euch läuft?
Uns ist wichtig, dass der jeweilige Künstler in seinem jeweiligen Genre einerseits in den Zeitgeist passt, es aber auch in der Breite repräsentieren kann. Jemanden wie Jan Schulte aka Bufiman zum Beispiel, der ja jetzt bei uns zu Gast ist und zusammen mit Vladimir Ivkovic und Lena Willikens, etc. im Salon des Amateurs in Düsseldorf einen eigenen Sound geprägt hat.
Ich verbinde mit Lena Willikens einen deutlich deeperen Sound als mit Bufiman.
Lässt sich vielleicht schlecht vergleichen. Ich glaube auch, dass Jan Schulte zumindest als Bufiman ein bisschen perkussiver und fröhlicher unterwegs ist, als vielleicht Vladimir Ivkovic oder Lena Willikens, die eher ein bisschen langsamer, deeper, vielleicht auch ein bisschen intellektueller spielen (lacht).
Wenn ich mir euer Booking anschaue, sehe ich ausnahmslos Leute, die einerseits ihr Handwerk verdammt gut beherrschen und andererseits auch nicht in einem Signature-Sound festgefahren sind.
Das stimmt, bei uns geht alles – auch innerhalb eines Sets (lacht). Und diese Breite ist auch dem Team zu verdanken, mittlerweile gehören ja der Sören, Michi und Can dazu.
Keiner von uns hört privat zum Beispiel Skatebård-Sets oder Italo Disco generell. Wir würde das auch nicht selbst spielen. Aber jeder von uns steht voll hinter dem Booking, weil der Typ einfach ne Bank ist, das ist überhaupt gar keine Frage. Der strahlt eine Aura aus, da kann keiner ruhig stehen bleiben.
Musikalisch hat sich auch etwas verändert. Die Musik war am Anfang bestimmt einfacher verdaulich oder zugänglicher, ist jetzt aber fortschrittlicher, versierter vielleicht informierter. Im September hatten wir zum Beispiel die Mirror Zone Labelnight mit Spekki Webu und Woody92. Die beiden werden zur Zeit ja sehr gefeiert, spielen einen trancigen Sound, fast Goa, bloß weit abseits des klassischen Goa-Floors. Die haben haben quasi Goa gentrifiziert (lacht). Da fragt man sich vorher schon, ob das Bielefelder Publikum so etwas feiert. Aber es klappt, weil es neben Feierlaune auch ein Interesse an der Kunst gibt.
Ich würde vom typischen FH-Bielefeld-Publikum sprechen. Bestimmte Studiengänge der FH gehen in Bielefeld ja einher mit elektronischer Musik bzw. Techno, Kunst, Grafik und allem, was da anhängt. Überspitzt gesagt: Es ändern sich zwar Namen von Protagonisten, auf Gästelisten und eventuell die Locations, aber die Antworten auf die Frage „Was machst du so?“ sind in diesem Kontext seit mindestens 10 Jahren die gleichen.
Dazu gibt es in Bielefeld auch auf jeden Fall das ein oder andere Meme (lacht). Aber ich bin froh, dass wir das haben, dieses Engagement gegenüber der Musik, aber auch ganz direkt. Wir sind ein Verein. Keiner verdient ’ne Mark, weil alles ehrenamtlich läuft.
Nun seid ihr mit der Paradise Plantation ja keineswegs allein auf weiter Flur. Es gibt die Jungs von R-Imprint um Felix Fleer, der soweit ich weiß das Booking der E-Lounge im Forum macht. Es gibt einen ganzen Haufen von Crews und jede bastelt an einer eigenen Idee von elektronischer Musik in Bielefeld, sehr ernsthaft, vielleicht manchmal zu ernst.
Tatsächlich war die vergangene E-Lounge mit François X die letzte – nach rund 15 Jahren, krasse Sache. Aber es wird eine neue Veranstaltungsreihe geben.
Mittlerweile mag ich dieses Cliquengetue. Es gab eine Zeit, da war das nicht so entspannt, da hat sich keiner was gegönnt. Ich kann mich selbst auch nicht davon freisprechen. Jeder wollte sein Ding durchbringen, da wurde gern mal über den anderen herzogen, um der scheinbaren Differenzierung willen. Aber wir sind alle ein bisschen älter geworden, reifer – und entspannter. Es gibt zig Crews, viele tolle Partys, auch von jüngeren Leuten. Und größter Respekt gilt zweifellos allen, die ihr Herzblut in solche Sachen stecken und am Ende mit nichts als der Liebe und Wertschätzung des Publikums nach Hause gehen.
Ist das bei dir eigentlich eine generelle Entscheidung? Oder könntest du dir vorstellen mit dieser Arbeit auch Geld zu verdienen?
Schwierig. Ich bin sehr eng mit den Leuten befreundet, die im about://blank die Warning-Party veranstalten, die in Hamburg, London und auch bei uns schon stattfand. Deren Party geht das ganze Wochenende. Wenn ich mir diese Produktionskosten anschaue, für die du locker mit 50.000 Euro in Vorkasse gehen darfst … Du brauchst so viele Leute, so viel Unterstützung, hast so einen Struggle – und am Ende bleibt ganz ganz wenig über. Hartes Business. Ich habe in den letzten Jahren Angebote von Clubs außerhalb Bielefelds bekommen. Hab’ ich immer abgelehnt. Ich hab einen tollen Job, bei dem es auch gut läuft. Das hier ist für mich Hobby und ich bin echt happy damit.
„Der Bielefelder will ja auch immer ganz viel, am liebsten Berlin-Lifestyle, fünf Tage feiern und so weiter. Aber wenn du es dann anbietest, kommt da keiner hin (lacht).“
Wie hat sich deine Arbeit als Veranstalter in den fünf Jahren verändert?
Insgesamt ist das natürlich professioneller geworden. Man kennt Booking-Agenturen, DJs, etc. und hat sich auch einen Ruf aufgebaut. Es war in Bielefeld nie einfach DJs zu bekommen. Man hat dann doch lieber den Gig in Köln genommen. Es gab wenig Vertrauen in unsere Fähigkeiten Partys zu organisieren – oder auch einfach in eine pünktliche Bezahlung. Deshalb war es uns auch von Anfang an wichtig, die beste Hospitality zu bieten und in dieser Hinsicht jeden Zweifel auszuräumen. Dadurch ist es mit der Zeit auch einfacher geworden, tolle Künstler für die Party zu bekommen. Als Mitgründer Alexander Möhle nach Berlin gezogen ist, war das zwischenzeitlich ein echter Verlust. Er hat mir auch immer ein bisschen Sicherheit gegeben, hat das Booking abgenickt, sich um Artwork und Promo gekümmert. Mit den jungen Leuten, die jetzt dabei sind – Sören aka Vector Trancer, Michael und Can –, ist aber ein echt tolles Team mit guter Arbeitsaufteilung entstanden.
Gab es nicht auch diesen größeren Umbau vor nicht allzu langer Zeit?
Seit zirka einem Jahr haben wir eine neue Anlage, neue Top-Speaker – und dadurch einen tollen Sound. Ist immer sehr lustig, wenn Künstler mit Hangover, null Bock in Bielefeld zu sein – sowieso – und gar keinen Erwartungen aus der Bahn steigen, dann das erste Mal am Regler drehen und plötzlich voll da sind, total motiviert. Wir machen da auch noch weiter. Wir bekommen zwei weitere Tops von Adamson. Ein amerikanischer Hersteller, der hier gar nicht so bekannt ist, aber auch die Chassis selbst baut – absoluter Highend-Scheiß. Neue Bässe sollen auch noch kommen, aber aus Geldgründen geht das natürlich immer nur peu à peu. Aber es wird noch cooler.
Gibt’s keine Probleme mit der Lautstärke?
Wir haben auch eine offiziell von der Stadt geprüfte Lautstärkenbegrenzung, die bei 101dB liegt.
Auf den paar Quadratmetern sind 101dB natürlich schon echt ...
... laut (lacht). Soll ja auch Spaß machen. Was absurd ist: Bei uns konnte die Maximallautstärke nur errechnet werden. Denn bei einer Messung vor der Tür steht man direkt unter der Brücke des Ostwestfalendamms – und die Autos sind zu laut für die Messung (lacht). Aber wir wollen uns mal nicht beschweren, die Lautstärke reicht vollkommen aus.
Der Laden hat Schaufenster, wird richtig hell, wenn die Sonne scheint. Warum gibt's nicht mal am Nachmittag eine Veranstaltung?
Im Sommer gab's das zwei, drei Mal. Aber der Bielefelder will ja auch immer ganz viel, am liebsten Berlin-Lifestyle, fünf Tage feiern und so weiter. Aber wenn du es dann anbietest, kommt da keiner hin (lacht). Das ist den Mehraufwand einfach nicht wert. Die Location erschwert das auch, denn du kommst rein und bist mittendrin. Es gibt keine Möglichkeit irgendwo mal zu sitzen, wenn du in Ruhe quatschen willst, musst du rausgehen. Im Sommer ist das total in Ordnung, aber im Winter nicht optimal.
Fünf Jahre sind rum, das Kalenderjahr ebenfalls. Was habt ihr euch für 2020 vorgenommen?
2020 wird fett, so viel ist sicher (lacht). Die Paradise wird es sechs Mal im Jahr geben, nicht nur vier Mal wie bisher. Das Booking mache ich nach wie vor mit meinen Kollegen, es wird am letzten Maiwochenende auch wieder eine Warning-Party in Bielefeld geben mit großartigem, internationalem Lineup. Im Oktober feiert das IBS bzw. Nr.z.P. dann den zehnten Geburtstag und da wollen wir selbst im Rahmen der Paradise natürlich auch noch eine Schüppe drauflegen.