Fragmente einer GroßstadtRefugees Welcome
3.2.2016 • Leben & Stil – Illustration & Text: Kristina WedelEs ist die Zeit der Polarisierung. Die persönliche Einstellung zum allseits präsenten und jeden betreffenden Thema „Flüchtlinge in unserer Stadt“ stellt so manche stabil geglaubte Konstellation in Frage.
Ich höre von Freunden, die im Kreis ihrer Familie ernsthaft darüber diskutieren müssen, ob diese Menschen das Recht haben, hier zu sein. Freunde, die am Kaffeetisch feststellen, wie enttäuscht sie vom Intellekt ihrer Tanten und Onkels sind. Im Flüchtlingscamp schreit der Hausmeister: „Ich hab keinen Bock mehr auf die Scheiße!“ Auf den Straßen stolziert die AfD debil lächelnd und Farben ihres Vaterland-Stolzes schwingend. Ihre Anzahl und ihr Anblick machen mich wütend. Nach ein paar Minuten unbeholfener Zurückhaltung steige ich lauthals in die Kampfansagen der Gegendemonstranten ein. Der verbale Widerstand befreit mich, und doch steigt mein Ärger mit jedem Ruf exponentiell an. Eine gewisse Gewaltbereitschaft gegen die herzlosen, engstirnigen Egozentriker kocht in mir hoch. Die Polizei – sekündlich bereit, linke Ausschreitungen präventiv zu verhindern – lächelt uns an, wie mein schadenfroher Mathelehrer damals, wenn ich vor der ganzen Klasse den falschen Lösungsweg präsentiert habe.
Hier gibt es kein kalkulierbares Ergebnis. Aber von emotionaler Intelligenz haben Menschen wie mein Mathelehrer noch nie was verstanden. Ich bin in dieser Zeit froh um warme Formeln an Häuserwänden – „Respect existence or expect resistance“. Refugees welcome.