„Wir wollen einen landesweiten Verband schaffen. Alleine wirst du einfach nicht gehört.“Interview: Philipp Treudt, Clubbetreiber und Mitgründer der Klubkomm Köln
21.11.2019 • Kultur – Interview: Jan-Peter WulfClubbetreiber, Festivalveranstalter, Getränkeproduzent und Gründungsmitglied des Kölner Verbands zur Förderung der Club- und Subkultur: Philipp Treudt ist ein echter Tausendsassa. Mit ihm sprachen wir über seinen Club „Zum Scheuen Reh“, die Sorgen und Herausforderungen der Kölner Szenewirtschaft, landesweite Pläne für die Clubkultur – und ein besonderes Kölnisches Wasser.
Philipp, wie funktioniert das „Zum scheuen Reh“ als Club, wie ist euer Konzept?
Das haben wir über die Zeit sehr klar ausgearbeitet. Wir arbeiten mit verschiedenen DJ-Crews zusammen, die ihre Abende jeweils selbst gestalten. Jeder dieser Abende ist sehr kostbar für sie, weil wir pro Crew maximal sechs davon pro Jahr vergeben. Die zeigen sehr viel Engagement, um ihre Termine schön zu gestalten, laden DJs aus anderen Städten ein – und es ist eine große Vielfalt vorhanden, von House über Cloud Rap bis Weltmusik sind wir dank unserer Veranstalter recht breit aufgestellt. Montags haben wir immer Livemusik mit „Reh Monday Live“, wir machen fünf bis sechs Lesungen im Jahr und Fußballgucken ist auch ein wichtiges Thema bei uns. Wir versuchen, urbane Subkultur ins Reh zu holen.
Du engagierst dich ja auch über deinen eigenen Club hinaus für die Subkultur – in der Klubkomm, dem Verband der Kölner Clubs und Veranstalter.
Genau, ich bin Gründungsmitglied und seit sechs Jahren im Vorstand. Wir sind aktuell neun Ehrenamtliche, langfristig wollen wir auch einen richtigen Geschäftsführer haben. Wir vertreten die Interessen der Kölner Kulturschaffenden gegenüber der Stadt und der Politik und sprechen mit den Parteien. Wir haben auch schon einige Dinge bewirken können, zum Beispiel konnten wir zwei Schließungen abwenden. Aber wir müssen auch immer wieder mit Rückschlägen kämpfen.
In Ehrenfeld, richtig?
Ja, dort wurde praktisch ein halber Stadtteil – ein kulturelles Zentrum Kölns – an einen Investoren verkauft. Unfassbar. Das „Underground“ musste schließen, über Jahrzehnte hinweg eine der wichtigsten Spielstätten für Musik, auch das „Helios“ musste weg. Da wurden subkulturelle Orte durch politisches Fehlverhalten zerstört. Die Locations können auch nicht so leicht woanders hinziehen. In Köln haben wir das große Problem, dass wir sehr wenig Platz haben. Die Stadt ist so dicht, man hat immer sehr viele Nachbarn!
In Berlin und jetzt auch in Hamburg will ein „Clubkataster“ helfen, die städtischen Spielstätten kartografisch sichtbar zu machen, weil die – so unglaublich es klingt – oft gar nicht richtig verzeichnet und somit auch nicht allen bekannt sind. Damit dann alle Bescheid wissen: Hier ist so ein Ort, den muss man berücksichtigen.
So etwas planen wir auch für Köln. Und wir sind ja auch schon im Austausch mit den Akteuren, werden gehört und in Neuplanungen einbezogen.
Was ist euer Ziel?
Eine Art Roundtable, an dem Stadtentwickler, Investoren und Kulturschaffende oder deren Verbände sitzen. Die Relevanz unserer Locations muss stärker wahrgenommen werden. Das subkulturelle Leben ist wichtig für die Bürger und letztlich werden auch erst durch sie attraktive Orte geschaffen, an denen die Leute leben wollen.
Aber wie wollt ihr verhindern, dass solche Roundtables „Scheinanhörungen“ werden im Sinne von: Jetzt holen wir die Clubs mit an den Tisch, die dürfen ihr Anliegen vorbringen, am Ende kommt dann aber doch die Abrissbirne?
Es muss wirklich in den Entwicklungsprozessen verankert sein. Erst wenn die Stadt ihre Kulturinstitutionen ernst nimmt, kann man vertrauensvoll zusammen arbeiten. Darum sind Zahlen wichtig. Wir haben 2016 mit der „Klubkomm“ eine Studie auf den Weg gebracht, die belegt, wie viel wir in der Stadt umsetzen und bewegen (über 50 Mio. Euro p.a. und rund 4 Millionen Gäste, Anm. d. Red.). Mit belastbaren Zahlen ist man von Gewicht. Es ist die Stadt, die Entwicklungen genehmigt und Objekte veräußert – und wenn das passiert, dann muss so etwas wie finanzielle Förderung von Schallschutz für die Clubs zum Paket einfach dazu gehören.
Wie ist das eigentlich mit einer Discothek am Stadtrand, im Industriegebiet – derer gibt es in NRW ja viele wie überall. Die haben ja weniger Anwohner- und Schallschutzprobleme, dafür aber andere Sorgen. Vertritt deren Interessen ein Verbund wie die „Klubkomm“ eigentlich auch?
Es ist doch so: Nur, wer mitmacht, kann auch etwas bewirken. Nur so hat man eine Stimme, kann Input reinbringen und etwas verändern – für sich und für die Gemeinschaft. Wir haben von Köln aus dieses Jahr angestoßen, dass sich die Spielstätten-Betreiber aus ganz NRW bald treffen, Anfang 2020 soll das passieren. Wir wollen einen landesweiten Verband schaffen. Wenn wir das hinbekommen, dann erhalten wir noch einmal eine ganz andere Aufmerksamkeit. Alleine wirst du einfach nicht gehört.
Du hast 2016 einen eigenen Schnaps entwickelt, den „Chorweiler Kümmel“. Jetzt auch ein Wasser, „H2O CGN“. Erzähl mal, was hat es damit auf sich?
Wir suchen bei der „Klubkomm“ nach unterschiedlichen Möglichkeiten, Gelder für den Verein zu generieren: Neben Fördergeldern der Stadt haben wir eine eigene Veranstaltungs-App entwickelt, so ähnlich wie die vom „Clubkombinat“ in Hamburg. Die verkaufen schon recht viele Tickets darüber, so weit sind wir hier allerdings noch nicht. H2O CGN ist ein weiterer Baustein, um ein wenig Geld in die Vereinskasse zu spülen. Von jeder verkauften Kiste werden 50 Cent ausgeschüttet, die geförderten Projekte werden jährlich wechseln.
Wen fördert ihr aktuell?
Zum Beispiel die „Internationale Photoszene“ (ein Fotografie-Festival, Anm. d. Red.), die Galerie „Gold & Beton“ und auch die Klubkomm e.V. selbst.
Warum ein Wasser? Es hätte ja auch eine Limo oder ein Bier sein können?
Wichtig war uns vor allem, dass wir mit einer Quelle zusammenarbeiten konnten, die nah an Köln liegt. Unser Wasser wird 32 Kilometer von Köln entfernt abgefüllt. Die Distributionswege sind also sehr kurz im Gegensatz zu vielen anderen Wässern, die quer durch die Republik gefahren werden. Generell ist es schwer verständlich, warum Wasser überhaupt mehr als 50 Kilometer transportiert werden muss, denn überall in Deutschland gibt es gutes Wasser. Wichtig war uns auch, dass jeder unser Produkt konsumieren kann, egal welchen Alters. Des Weiteren haben Wasserflaschen sehr häufig ein sehr belangloses Design, auch das wollten wir ändern. Jeder freut sich doch über eine schöne Flasche, aus der er/sie trinkt.
Können die Kölner Veranstaltungsbetriebe das Wasser auch selbst verkaufen?
Wir freuen uns über jeden, der unser Wasser verkaufen möchte – ob Bar, Club oder Einzelhändler. Verschiedenste Locations bieten unser Wasser schon an, wie zum Beispiel das „Gewölbe“, der „Laden Ein“, die „Beef Brothers“ oder das „Zum scheuen Reh“. Aber auch Getränkemärkte verkaufen es an Privatpersonen, wie zum Beispiel „Scheiders“ in Ehrenfeld. Inklusive Lieferservice.
Vielen Dank, Philipp.