Vater und SohnInterview: Fabian Zapatka über Manfred Zapatka und ihr gemeinsames Fotobuch
21.12.2020 • Kultur – Interview: Ji-Hun Kim, Fotos: Fabian ZapatkaDer Fotograf Fabian Zapatka portraitierte für sein neues Buchprojekt den Abschied seines Vaters Manfred vom Ensembletheater über mehrere Monate. Manfred Zapatka ist ein bekannter Schauspieler und arbeitete zuletzt am Residenztheater München. Hier erzählt Zapatka junior in intimen und eindringlichen Fotografien vom letzten Arbeitstag in München bis zur Rückkehr zum Elternhaus in Cloppenburg. Es ist eine Geschichte über Heimkehr, Heimat, Abschied, aber auch die universelle Beziehung zwischen Vätern und ihren Söhnen. Im Interview spricht Fabian Zapatka, der unseren treuen Leser*innen als erster Fotokolumnist von Das Filter (»Auf dem Weg«) in Erinnerung sein dürfte, über die Entstehungsgeschichte, therapeutische Aspekte solcher Langzeit-Familienprojekte und über das Ende als solches.
Erzähl uns kurz die Geschichte hinter dem Buch.
Ich wollte ganz lange schon etwas über Ensembletheater in Deutschland machen. Es war in meiner Kindheit eine Instanz, auch weil mein Vater da sehr zuhause war, viel mehr noch als woanders. Theater – ohne, dass da viel drüber gesprochen wurde – hatte einen hohen Stellenwert. Das stirbt aber alles langsam aus. Viele der führenden Interpretinnen und Interpreten gibt es heute nicht mehr. Das Neue ist cool, aber anders. Jetzt eine Fotogeschichte zu machen, in der ich ein Ensemble begleite, wurde mir weder angeboten, noch war es richtig knackig. Als mein Vater aber meinte, er höre im Ensemble auf, und kehrt in sein Elternhaus zurück – die Rückkehr an den Ort seines Vaters – so wurde eine schlüssige Geschichte draus. Ich besuche das Haus meines Vaters, sein Theater und wir fahren gemeinsam dorthin, wo er herkommt und wo er seine Kindheit verbracht hat. Als ich das Thema dem SZ-Magazin vorgeschlagen habe, wollten sie das auch gleich machen. Dass das Theater mich reingelassen hat, mein Vater auch Lust hatte, das zu machen, das lief dann alles sehr gut. Nach der Veröffentlichung der Fotostory war aber klar, dass so viel Material entstanden ist, dass man daraus ein Buch machen sollte, um das ein bisschen länger zu erzählen.
Wie groß war der therapeutische Anteil an dem Projekt?
Sehr groß. Vorher habe ich mich ein bisschen gegraust. Ich musste die Idee ein paar Monate reflektieren, weil ich meinen Vater die letzten Jahre auch wenig gesehen habe. Alles hochzuholen, was ich die letzten 20 Jahre erfolgreich verdrängt habe, war ein Schritt für mich.
Ich habe aber generell das Gefühl, dass Vater-Sohn-Beziehungen eher distanziert sind und das mit dem Alter auch nicht wesentlich anders wird. Wenn ich mit meiner Familie telefoniere, dann eigentlich mit meiner Mutter. Was hast du nun über seine Arbeit gelernt?
Was ich herausfand, ist sein Fokus auf inhaltliches Arbeiten. In den Diskurs zu treten mit aktuellen Themen. Dass Leute zusammenfinden, Regisseurinnen, Autoren, Schauspieler, denen es nicht darum geht, zum 500. Mal ein Shakespeare-Stück aufzuführen, sondern Dinge zu hinterfragen oder zu begründen. Er hätte auch „Schwarzwaldklinik“ drehen und viel Geld damit verdienen können, aber gegen so was hat er sich immer gesträubt. Das hat durchaus auf mich abgefärbt, mich beeinflusst und geprägt. Bei dieser Arbeit habe ich das wieder gemerkt. Ob es Theater ist oder seine Liebe zu Autoren, ist eher zweitrangig. Er macht etwas so gut, wie er es machen kann, um für ihn selbst Relevanz zu erzeugen. Damit kann ich mich identifizieren. Er hat mir das so konkret nie vermittelt, es stand aber immer im Raum. Wenn er stolz erzählte, wie er das neue Stück von Heiner Müller durchgearbeitet hat, ging es eher um Ethos. Ganz ähnlich versuche ich das heute meiner Tochter auch zu vermitteln. Und auch wenn meine Mutter viel präsenter war, ist mein Vater trotzdem eine sehr wichtige Persönlichkeit für mich. Er stand für diese Werte im Hintergrund. Mit dem Buch wollte ich aber auch zeigen, wie er ist, wenn er eben nicht mehr so viril und belastbar ist. Er ist alt, er kann das alles nicht mehr so einfach machen. Das Theater von heute ist nicht mehr seins. Er weiß, dass er nicht am Theater sterben kann – so wie damals, als man noch mit 90 auf die Bühne ging. Das wollte ich auch zeigen.
Mich hat die letzte Verbeugung auf der Bühne schon berührt. So viel Anmut und Grandesse, tolle Körperspannung. Eines großen Schauspielers würdig.
Das finde ich auch.
Dein Vater hat lange in München gelebt, du ja auch. Wie ist es für ihn, München zu verlassen und nach Cloppenburg zurück zu ziehen?
Das war eine sehr pragmatische Entscheidung. Die Wohnung in München ist teuer und wenn er kein festes Ensemble mehr hat, kann er auch in Cloppenburg wohnen. Das macht er derzeit aber gar nicht, weil er wegen der Pandemie immer noch eine Wohnung in München hält, weil er verständlicherweise während der Zeit nicht in Cloppenburg sein wollte. So hat sich alles überschnitten. Das Ideelle, dass er das alte Haus instand gesetzt hat und wieder in die Heimat zurückzieht, hatte auch finanzielle Gründe. Wenn er einen Film oder Hörspiel macht, dann fährt er für die Zeit eben hin. Sehr unemotional eigentlich. Gleichzeitig denke ich allerdings, ist das Haus das Vermächtnis seines Vaters. So bekommt es heute für ihn eine Bedeutung. Auch wenn es diese Relevanz über Jahre nicht inne hatte. Sein Haus ist das Theater, aber plötzlich wird die Welt seines Vaters wichtig.
Ich bekomme von früheren Freunden und Nachbarn aus Schulzeiten immer wieder mit, dass sie ins Elternhaus ziehen. Da gibt es durchaus romantische Narrative.
Ich war nie in Cloppenburg. Und mein Vater dort eigentlich nie sehr froh. Wir waren da mal zur goldenen Hochzeit meiner Großeltern. Es wurde eher aus einer komischen Distanz heraus wieder entdeckt.
Was hast du von dem Projekt noch gelernt?
Dass es Sinn macht, langfristige Projekte auch zu Ende zu machen. Zwar hatte ich schon ähnliches gemacht, aber diesmal waren es über 70 Filme, acht Monate Produktionszeit, das war schon gut, dass ich mich herausgewagt habe, auch in so ein persönliches Projekt. Es waren viele Menschen involviert. Das Theater, mein Vater, meine Mutter – das war schon eine erfüllende Arbeit. Das nächste Projekt wird auf jeden Fall weniger persönlich. Die Arbeit war generell angenehm. Er fühlte sich auch geehrt, dass er so lange Zeit begleitet wurde. Im Nachhinein habe ich das Gefühl, dass das ein Buch geworden ist, das trotz der persönlichen Perspektive auch ein Stück weit das Theater dieser Generation meines Vaters feiert. Die Theater hatten dieses Jahr alle geschlossen und das ist natürlich kein Ausgang, den irgendjemand von uns vorhersagen konnte.
Du hast in deinem Leben viele Menschen fotografiert, aber die Familie zu fotografieren ist doch immer irgendwie anders. Auf der anderen Seite ist dein Vater als Schauspieler geschult, auch mit Kameras umzugehen. Er weiß sich zu inszenieren und war in den 80ern, das ist nicht despektierlich gemeint, ein ziemlich heißer Feger. Ich denke an „Rivalen der Rennbahn“. Ich stelle mir die Konstellation konfus vor.
Das war gar nicht so professionell. Es hat sich nicht sonderlich unterschieden von Beobachtungen, die ich sonst mit Menschen während meiner Arbeit mache. Er hat nicht versucht, sich groß darzustellen oder zu inszenieren. Er hat respektiert, dass wir beide auf Augenhöhe arbeiten. Dafür ist er auch zu schlau, das irgendwie anders zu sehen. Aber natürlich hängt einer öffentlichen Person viel mehr daran, dass die Berichterstattung für einen stattfindet. Es geht zwar um die universelle Vater-Sohn-Geschichte, aber natürlich hängt sich die Story daran auf, dass er ein berühmter Schauspieler ist.
Wollte er je, dass du das Gleiche machst?
Nein. Er möchte, glaube ich, dass niemand in seiner Familie Schauspielerei betreibt. Er ist einfach sehr kritisch. In der Familie wird immer ein sehr hoher Standard erwartet. Es überwiegt seltener die Freude, es muss eben auch toll sein, Relevanz haben. Es gibt ja Schauspieldynastien, wo Kinder sehr in eine Richtung erzogen werden. Aber das war bei uns nicht der Fall.
Wie glamourös war denn nun deine Kindheit? War da irgendwas glam?
Er war ja immer am Theater und das ist ja nicht glamourös. Während seiner Filmzeit war ich dann schon ein bisschen älter. Mein Vater war nicht rund um die Uhr präsent während meiner Kindheit. Er ging um neun aus dem Haus und war dann nachts wieder da. In den Ferien sind wir in den Urlaub gefahren. Das war alles sehr unglamourös. München hat natürlich seine eigenen Regeln und jeder, vom Fleischer bis zum Schuhverkäufer, wusste, dass mein Vater Schauspieler ist. Manchmal haben wir ihn besucht, wenn er gedreht hat, dann waren wir auf Reisen, was natürlich cool war. Wie du auf den Fotos siehst, ist es bis heute nicht glamourös.
Es könnte auch Understatement sein.
Das kann natürlich auch sein, aber der große Glamour ist an mir vorbeigezogen.
„Vater“ von Fabian Zapatka kann direkt beim Künstler erworben werden. Außerdem besteht hier die Möglichkeit, die Bücher mit exklusiven Prints des Fotografen im Paket zu erwerben. Spoiler-Alarm: tolles Weihnachtsgeschenk. Im Januar 2021 erscheint „Vater“ im stationären Handel über den Kerber Verlag.