Nik Nowak – A War Of Decibels: über akustische Kriegsführung (Hyperdub)Audioessay zum Klang als Kampfmittel
5.10.2024 • Kultur – Text: Jan-Peter WulfNik Nowak aus Berlin setzt sich in seiner Arbeit mit Sound als Kriegs- und Propagandamittel auseinander und spannt dabei einen Bogen vom geteilten Berlin bis Jamaika.
Akustik und Krieg bzw. Kriegsführung: ein überaus spannendes Thema. Das bei Fanfaren und Bläsern beginnt, die die eigenen Truppen im Kampfe motivieren sollen und bis hin zum Einsatz von überlauter Musik geht, um zum Beispiel Belagerungen oder Geiselnahmen zu beenden (ich verrate es mal: mit „I’m Outta Love“ von Anastacia zwingt ihr mich safe binnen Minuten, die Waffen zu strecken). Aber auch zivile Battles kann man in diesem Kontext betrachten, etwa die gigantischen jamaikanischen Boxen-Bauten, mit denen in Soundclashes eine akustische Aneignung des Raumes (natürlich komplett peaceful, the only good system is a sound system) vollzogen wird. An der deutsch-deutschen Grenze, genauer an der Berliner Mauer wiederum gab es Lautsprecherwagen, die die gegenüberliegende Seite mit Informationen wie Unterhaltung versorgten, von West gen Ost etwa das Studio am Stacheldraht, eine Initiative des Berliner Innensenators.
Mit diesem Themenkomplex von Deutschland über Jamaika bis Korea beschäftigt sich der Berliner Künstler Nik Nowak in seiner Arbeit, und das sowohl musikalisch als auch als Schrauber: „The Soundpanzer“ und „The Mantis“ heißen zwei seiner wuchtigen, kriegerisch anmutenden und selbst gebauten Soundsysteme, mit denen man vermutlich das halbe Tempelhofer Feld zum Wabern bringen könnte. Basierend auf seiner Installation „Schizo Sonics“, die 2020 im Neuköllner Kindl Center for Contemporary Art zu sehen und zu hören war – dort traten seine Soundwagen quasi gegeneinander an – hat er nun ein aus vier Episoden bestehendes, gleichnamiges Audio-Essay veröffentlicht. Unter anderem verbindet es Soundscapes, Narration und viele O-Töne aus dem sogenannten Lautsprecherkrieg an der deutsch-deutschen Grenze vom Mauerbau bis 1965, nimmt uns mit in die Karibik und dann wieder zurück in die graue Hauptstadt.
Ein beeindruckendes und zugleich sehr zugängliches, sprich angenehm durchhörbares akustisches Konvolut, das mit historischen Propagandamärschen, Drones, Beats und Sirenen vollgepackt ist. Eingesprochen von Jessica Edwards, die u.a. bei Kode9 als Background-Sängerin fungierte. Vervollständigt wird das Werk von einem 88-seitigen Buch, das die Installation im Kindl – die leider komplett an mir vorbei gegangen ist – dokumentiert.