KonzerterinnerungenThe Jesus And Mary Chain – Berlin, Metropol, 03. Dezember 1989
27.10.2021 • Kultur – Text: Thaddeus Herrmann, Montage: Susann MassuteDie Mauer fiel und wer kam? Jesus! Anfang Dezember 1989 spielten The Jesus And Mary Chain ein Konzert im Berliner Metropol. Wer die Band früher – zeitnah zu den Alben – nicht mitgeschnitten hat, kennt sie spätestens seit der finalen Einstellung des Films „Lost In Translation“, die von ihrem Track „Just Like Honey“ begleitet wird. Ein cuter Tune. Aber längst nicht die ganze Geschichte über die Band.
Es gibt nicht viele Rockbands, die ich mag. The Jesus And Mary Chain verehre ich. Und zwar exakt seit 1987. Damals erschien ihr zweites Album „Darklands“ und bei Formel Eins in der ARD lief das Video zu „Happy When It Rains“. Vielleicht war die Band auch im Studio, keine Ahnung. War das großartig! „Darklands“ ist bis heute eine meiner Lieblingsplatten aller Zeiten. Diese Stahlwüste aus Hall auf allem, der Drumcomputer, das Gezerre und die einfachen Songs, mit denen die Brüder Jim und William Reid das Blue-Schema immer wieder neu erfinden. Darkes Schwofen. Und nein: Auch wenn „Just Like Honey“ natürlich schon vor dem Film Lost In Translation ein ikonisches Stück Popmusik war, war ich nie Fan ihres Debüts „Psychocandy“. Auch wenn dieser Erstling ihren wahrscheinlich größten Hit beinhaltet – posthum sozusagen. Mit der Platzierung im Film „Lost In Translation“. Wir schauen mal rein.
Ich war zu diesem Zeitpunkt eher auf „Darklands“ gepolt. Auf Tracks wie „Happy When It Rains“. Auch hier schauen wir kurz rein.
1989 erschien dann das dritte Album der Band: „Automatic“. Ich kaufte die CD (ja, das war der digitale Aufbruch 1.0 damals) bei WOM am Kurfürstendamm und war überrascht, wo der Hall hin war. Klarere Strukturen, weniger Studio und: der gleiche Drumcomputer. Irgendwie Rock'n'Roll, aber cool und immer noch disparat.
Was ich nicht wusste: The Jesus And Mary Chain galten damals als ausgesprochen schlechte Live-Band. Keinen Bock, kein Flair, schlecht gespielt, schlecht gemixt und immer schön kurze Konzerte. Es gibt Gruppen, die dieses Stigma irgendwann überwanden. New Order zum Beispiel, die es von einer auf der Bühne wirklich schlechten Band nach der 368. Reunion immerhin zu einer akzeptablen schafften.
Das Metropol war an diesem Abend proppenvoll. Freute mich für die Band, die es mit „Automatic“ geschafft hatte, einen ziemlichen neuen Sound auf mehr als solide Füße zu stellen. Nur: Live wollte das nicht so recht zünden. Wer damals unbekannterweise mit mir da war, helfe mir: Hatte die Band einen Drummer oder lief da eine Band-Maschine? Ich erinnere vom Kunstnebel in Bewegung gehaltene Laken, auf denen Super8-Filme in Schwarzweiß liefen, mit den Visuals zum Album. Die Band selbst hatte aber – mal wieder – überhaupt keinen Bock. Spielten und machten und taten – und unten im Publikum kam vor allem Matsch an. So schade, aber irgendwie auch okay, denn in der Musik von The Jesus And The Mary Chain schwang dieses sonnenbebrillte Egale ja auch immer mit. Explizit in der Haltung, aber nie offen heraus bekennend. Eine Reibungsfläche, die durchaus Potenzial bot und auch heute immer noch bietet. Aber im vergleichsweise großen Metropol verpuffte dieses Alleinstellungsmerkmal zu einer eher indifferenten Wall-of-Sound. Das kann man mögen, aber mir war das nicht genug. Mit der Musik der Band war ich bis zu ihrem Ende – alle Reunions mal außen vor – hingegen immer einverstanden. Mit dem vergleichsweise radikalen Neubauten-Sample auf „Reverence“ zum Beispiel (von ihrem nächsten Album „Honey's Dead), und natürlich auch mit der Zusammenarbeit mit Hope Sandoval auf „Sometimes Always“. Die Sängerin von Mazzy Star machte mir zu einem anderen Zeitpunkt in der Kreuzberger Passionskirche mal richtig schlechte Laune – was für eine arrogante Zicke –, aber für diese Geschichte fehlt mir leider das Ticket.
Dieses Konzert von The Jesus And Mary Chain war das einzige, das ich jemals von der Band sah. Ich bin dankbar, dass ich dabei war. Vorangebracht hat es mich aber nicht. Es bleibt, wie so oft, die Musik.