KonzerterinnerungenCamouflage – Berlin, Metropol, 05. November 1989
28.3.2022 • Kultur – Text: Thaddeus Herrmann, Montage: Susann MassuteAm 9. November 1989 enden die 80er-Jahre. Am 5. November liefert Camouflage in West-Berlin ganz unbewusst den Abgesang auf das Jahrzehnt. Am Tag zuvor demonstrieren Hunderttausende von Menschen auf dem Alexanderplatz, zwei Tage nach dem Konzert tritt der Ministerrat der DDR zurück. Und im Metropol am Schöneberger Nollendorfplatz? Singen alle „Love Is A Shield“. Schon passend, ja. Aber nicht zwingend informiert.
Über Camouflage wurde viel geschimpft. Das Projekt aus dem Stuttgarter Raum von Heiko Maile, Marcus Meyn und Oliver Kreyssig sei doch einfach nur ein Rip-off von Depeche Mode. Natürlich war die erste Single der Band – „The Great Commandment“ von 1987 – irgendwie nah dran. Auch das Debütalbum „Voices & Images“ wies Parallelen zwischen Basildon und Bietigheim-Bissingen auf (das „B“ nehmen wir als verbindendes Moment). Aber: Ich habe schon damals gesagt, dass die Geschichte so einfach dann doch nicht ist. Die drei Jungs liebten den Synth-Pop, ja. Und stellten doch einen ganz eigenen Entwurf des zu dieser Zeit schon reichlich ausgereizten Genres hin. Mit dem Produzenten Axel Henninger hatte das Trio einen erfahrenen Musiker als Sidekick am Start. Und sind wir ehrlich: Wer hat in den späten 1980er-Jahren schon international kompatible Synth-Musik in Deutschland gemacht? Alphaville vielleicht – mit ihrem „Forever Young“-Album (nicht der Single) 1984. Boytronic, okay (ich weiß, schwieriges Thema). Aber sonst? Na also.
Zum Album kamen ein paar Remixe, die – bestimmt weder gewünscht noch unterstützt von der Band – in den USA den Fuß auf den Dancefloor setzten. Diese Import-Maxis waren schwer zu beschaffen. Und wenn sie dann doch im WOM aufschlugen, zum Wucher-Preis, fühlte ich mich ungefähr so verwirrt wie mit den gleichzeitig zirkulierenden US-12"s von Depeche Mode – mal offiziell, mal „DJ-only“. Ich sog das einfach alles in mich auf. Und fand es großartig, auch wenn ich diese Versionen nicht zwangsläufig verstand. Und: Wer mir einen Track wie „They Catch Secrets“ hinschmeißt, hat mein Herz unmittelbar gewonnen. Damals wie heute. Ich blende mal den 12"-Mix ein, um im Thema zu bleiben. Das 12"-Thema wird gleich nochmal wichtig. Entschuldigt das upgefuckte Video.
Wenn es eine Tour zu diesem Debütalbum gab: Ich war nicht dabei. Und zum nächsten Album „Methods Of Silence“ präsentierte sich die Band 1989 schon ganz anders. Der Synth-Pop war mehr oder weniger Geschichte. Die Truppe ging von Schwaben nach Brüssel und arbeitete dort mit Dan Lacksman als neuem Produzenten. Die Hit-Single „Love Is A Shield“ wurde allerdings noch vom alten Weggefährten Axel Henninger produziert. Die Maxi-Version war sehr, sehr gut. „Methods Of Silence“ als Album jedoch empfand ich als merkwürdig. Mir fehlte der musikalische Fokus. Und hier kommt wieder die Parallele zu Depeche Mode: Die Transformation, die Weiterentwicklung, die das Quartett aus Basildon innerhalb von vielen Jahren Schritt für Schritt durchgemacht hatte, wollte die Band aus Schwaben in nur einem Album absolvieren. Eigentlich: Hut ab. Nur funktionierte das leider nicht – jedenfalls nicht für mich. Hier waren Jungs am Start, die zu schnell zu viel wollten. Das Album zerbröselte erwartungsgemäß für mich, hatte auch zu wenig Edge in der Produktion. Naja, den Gig in Berlin schaute ich mir dennoch an.
Und war schon ein wenig geplättet, wie ambitioniert sich die Band zeigte. Trotz aller musikalischer Belanglosigkeit, die ich damals dem Album gegenüber empfand, war das doch beeindruckend. Und: Es gab immer noch genug Songs „für mich“.
Heute könnte ich gar nicht mehr sagen, ob ich mich danach weiter mit Camouflage beschäftigte. Das dritte Album „Meanwhile“ von 1991 kommt mir zumindest vom Artwork her noch bekannt vor. Songs erinnere ich nicht. Es waren aber auch schon längst ganz andere Zeiten.