„Die Location schreit geradezu nach Techno“Interview: Ahmet Sisman über sein Third Room Open Air, Duisburg, Essen und eine kleine Szene im großen Ballungsraum
6.6.2018 • Kultur – Interview: Jan-Peter WulfAm 16. Juni findet in Duisburg ein Open Air statt – House und Techno inmitten denkmalgeschützter Industriekultur. Wie schön für Duisburg, könnte man sagen. Doch dahinter steckt schon ein bisschen mehr: Jahrelang hakten die Veranstalter um Ahmet Sisman nach, um im monumentalen Landschaftspark das The Third Room Open Air machen zu dürfen. Techno und Stahlbeton harmonieren wunderbar, weiß nicht nur das Berghain. Doch im Pott, der geradezu vollsteht mit gigantischen Orten wie diesem Ex-Hüttenwerk, ist es immer noch eine Seltenheit, dass Arsch und Eimer zusammenfinden dürfen. Es soll nicht bei einem Ausnahmeevent bleiben, erklärt uns Sisman im Gespräch.
Ahmet, wie kam es dazu, dass ihr im Landschaftspark ein Festival machen könnt. Es ist ja das erste seit zehn Jahren dort, richtig?
Ja. Das letzte vor zehn Jahren war nicht angemeldet. Das war natürlich nicht so gut. Deswegen hat dort bis jetzt nichts mehr stattgefunden. Ich habe schon als Booker des Goethebunkers in Essen Kooperationen mit Locations der Industriekultur gemacht – 2015 erst ein Open Air in der Zeche Zollverein und dann zusammen mit der Ruhrtriennale in der Jahrhunderthalle in Bochum. Auch im Landschaftspark Duisburg-Nord wollte ich unbedingt ein Event machen. Allein die Gespräche zur Vorbereitung haben nun zwei Jahre gedauert. Bei solchen Locations muss man immer viel Überzeugungsarbeit leisten.
Warum ist das so? Größere Events, zum Beispiel die alljährliche ExtraSchicht Ende Juni, die an solchen Orten im ganzen Ruhrgebiet stattfindet, gibt es doch zuhauf.
Diese Orte sollen in der Regel über die so genannte Hochkultur definiert werden. Konzerte, Theater und so weiter. House und Techno sind keine Hochkultur – da besteht wohl die Angst, dass pillenschluckende Kids das denkmalgeschützte Areal demolieren. Dass ich zusammen mit der Ruhrtriennale ein solches Event gemacht habe, hat Barrikaden abgebaut: Das ist eben doch kulturell wichtig. Da ist jetzt eine Tür offen. Eine kleine zumindest. Wir machen jetzt ja ein Open Air mit 3.000 Leuten, die Kapazität sind 20.000. Man könnte also was Größeres aufbauen – wenn die Behörden mitmachen.
Wie ist das denn mit den Behörden in einer Stadt wie Duisburg, die mit einem Techno-Open-Air eine tragische Katastrophe erlebt hat?
Natürlich wird sehr genau draufgeschaut. Was völlig verständlich ist. Ich muss aber ganz klar sagen: Blockieren tut die Stadt das Thema nicht.
Es gibt ja auch schon auch ein paar Open Airs für elektronische Musik in der Stadt und der Region ...
… Luft & Liebe, Heile Welt, Momente …
… ist das Ruhrgebiet deiner Meinung nach eine Open-Air-Region?
Nein. Ich würde sagen, das Angebot ist eher gering – gemessen daran, dass hier dreieinhalb Millionen Menschen leben. Wenn man was macht – das ist zumindest meine Erfahrung – sind die Leute auf jeden Fall sehr dankbar. Eine Szene hat die Region jedenfalls nicht. Finde ich.
Auch keine Clubszene? Goethebunker, Hotel Shanghai, das Studio, in dem du jetzt das Programm kuratierst – wie hieß das Studio früher noch mal? Ich war da ein paar Mal feiern.
Mikatronik.
Ja, da gab es so eine LED-Wall wie im Watergate.
Die ist zum Glück weg (lacht). Es stimmt schon, es gibt ein paar Sachen. Aber wieder: Verglichen mit der Größe der Stadt (580.000 Einwohner, neuntgrößte Stadt Deutschlands, Anm. d. Red.) – eher wenig. Hier herrscht Provinzdenken. Wir sind nicht in Amsterdam, wo die Stadt die Clubs unterstützt. Hier musst du erstmal einen Draht zu den Sechzigjährigen kriegen und denen klar machen: Du meinst das ernst. Ich wünsche mir mehr Dynamik und mehr Konkurrenz – ich glaube, dann würde man hier deutlich mehr erreichen.
Im Sinne einer größeren externen Wahrnehmung?
Man merkt das ja bei vielen Agenturen. Die buchen viele ihrer Künstler das erste Mal hierher. Beim Third Room Open Air geht’s allerdings auch weniger um große Namen. Die Location selbst ist eigentlich der Headliner. Ich bin ein Riesenfan von Achtziger-Cyberpunkfilmen und diese Location assoziiert ein solches Setting. Die schreit geradezu nach Techno.
Es soll ja auch nicht bei einem Event bleiben, richtig?
Das Ziel ist schon, so etwas jedes Jahr machen zu können. Und mit Third Room wollen wir neben der monatlichen Eventreihe im Studio immer wieder was in Offlocations machen, zum Beispiel in der Essener Kreuzkirche oder in der Mischanlage auf dem Unesco-Welterbe Zollverein. Das ist eine monumentale Location, die mehr Industriecharme hat als das Berghain, aber sie wird viel zu wenig benutzt. Der Ort hat meiner Meinung nach das Potential, Adresse Nummer eins für Clubbing im Westen zu werden. Weil es aber denkmalgeschützt ist, sind die Möglichkeiten erstmal begrenzt.
The Third Room Open Air
präsentiert von Telekom Electronic Beats
am 16. Juni 2018 ab 12 Uhr
im Landschaftspark Duisburg-Nord
mit Ellen Allien, Fjaak (live), Dax J und Blawan
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