Leseliste 7. April 2019 – andere Medien, andere ThemenKreative KI, Soldaten-Raver, Absetzen von Antidepressiva und weißer Feminismus

leseliste april seattle library

Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

Kreative KI

Marcus du Sautoy, bekannter Mathematiker und Autor populärwissenschaftlicher Sachbücher – Thema Mathematik natürlich – ist der Auffassung: Künstliche Intelligenz könne durchaus kreativ sein. Das Onlinemagazin Digital Trends hat ihm dazu fragen gestellt. Und seine Antworten sind durchaus nachvollziehbar. Gerade weil er „Kreatvität“ als solche nicht auf einen Algorithmus reduziert. Er erklärt auch, warum wir „Kreativität“ beziehungsweise Kunst als deren Ergebnis als etwas zutiefst Menschliches erachteen und es deshalb so schwer vorstellbar ist, das Code dies leisten kann. Ein ziemlich lesenswertes Interview.

„Weirdly, I think that A.I. might help us behave less like machines and more like humans.“

Can A.I. truly be creative? One brilliant Brit makes a compelling case

LL-07042019-Raver

Foto: Electronic Beats

Ravende Soldaten

In der Techno-Welt gehört träumen mittlerweile zum musealen Alltag – von den besseren Zeiten, damals, als die Bassdrums noch dick und viele Dinge noch nicht entschieden waren. Das war besonders in Berlin so – mit den Dingen. In Westberlin langweilten sich die US-amerikanischen, französischen und britischen Soldaten in ihren Kasernen, am Wochenende wurde so gut es ging auf die Kacke gehauen. Die Briten kannten den Rave von der Insel und gingen in den späten 1980er-Jahren auf die Suche. Als die Mauer dann fiel, gab es kein Halten mehr. Sven von Thülen hat für EB einige Soldaten von damals getroffen und sich im Oral-History-Stil seines Buchs „Der Klang der Familie“ erzählen lassen, wie die Blütezeit des Techno in Berlin erlebt haben. Das Schöne daran ist, dass es auch um ihren Alltag geht und die sich so ergebenden Konflikte zwischen Langeweile, Übungen, Wache schieben und Patrouillen. Ein Alltag, den sie mit viel Drogen am Wochenende versuchten abzustreifen. Man kann sich vorstellen, wie das bei den Vorgesetzten ankam. Aber weil Berlin eben Berlin war, legten es einige sogar auf genau diese Konfrontation an.

„Mate, when I was locked up in the barracks, and I saw you lot going out every Friday, I was gutted. Not that I didn’t have my freedom anymore, but that you fuckers were going out clubbing and I couldn’t be part of it.“

Ravers With Guns: Meet The Teenage British Soldiers Who Partied In Berlin’s ’90s Techno Scene

Eine Nation auf Prozac

In diesem eindringlichen Porträt einer jungen Frau und Patientin im New Yorker werden die Folgen und Schwierigkeiten von langjährigem Gebrauch von Antidepressiva beschrieben. Laura Delano, die als bipolar diagnostiziert wurde, bekam in 14 Jahren 19 verschiedene Medikamente verschrieben. Gerade das Kombinieren von verschiedenen Präparaten ist gängige Methode – „It is tempting to add a second drug just for the sake of ‘doing something,’ a 2004 paper in Current Medicinal Chemistry warns.“ Das hier festgehaltene Schicksal ist kein Einzelfall – Millionen von Amerikaner*innen werden mit Psychopharmaka behandelt.

„Overprescribing isn’t always due to negligence; it may also be that pills are the only form of help that some people are willing to accept. Laura tried to find language to describe her emotions and moods, rather than automatically calling them symptoms.“

The Challenge of Going Off Psychiatric Drugs

leseliste race

Montage: Redaktion

Neoliberaler, weißer Feminismus

Die britische Autorin Reni Eddo-Lodge schrieb eine kritische und schmerzhafte Analyse über den Rassismus, der sich durch die gesamte Gesellschaft zieht. In der paradoxen Diskurseinladung „Why I’m No Longer Talking to White People About Race“ (dieses Jahr erschien auch die deutsche Übersetzung) geht es vor allem um das „White Privilege“. Im Gespräch mit dem Schweizer Magazin Republik kritisiert sie aber auch den Feminismus, der sich nur für weiße, erfolgreiche Frauen einsetzt.

„Die Art Feminismus, wie sie etwa Sheryl Sandberg, die Co-Geschäfts­führerin von Facebook, in ihrem Buch «Lean In» beschreibt, profitiert von einer Struktur, die aus meiner Sicht abgeschafft werden sollte. Frauen wie Sandberg fordern mehr Frauen in Führungs­positionen, mehr weibliche CEOs, kritisieren aber nicht die Macht­strukturen, die solche Positionen überhaupt erst ermöglichen.“

«Ich will, dass die Leute so wütend werden, wie ich es bin»

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Gramm, Khotin und Alex Ketzer

Mitgehört: Musik aus dem Filter-SchwarmHeute: Daniel Kujawa, Mode-Designer