Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
Der Serienmörder in der Datenbank
Wie werden Serienmörder aufgespürt? Woran lassen sich überhaupt die Muster in unzähligen Tötungsdelikten erkennen? Diese Fragen beschäftigen nicht nur die FBI-Agenten Holden Ford und Bill Tench Ende der 1970er Jahre (deren Geschichte und wegweisende Arbeit für forensisches Profiling wird im jüngsten Netflix-Werk „Mindhunter“ (David Fincher) erzählt), sondern sie sind auch heute noch mehr als relevant. Jedoch wird neben der individuellen Ermittlungsarbeit, die auf knappe, personelle Ressourcen baut, die computerbasierte immer wichtiger. Alec Wilkinson porträtiert im New Yorker Thomas Hargrove, der neben seiner journalistischen Tätigkeit begann, Tötungsdelikte zu archivieren und das ehrenamtliche „MAP“-Projekt (Murder Accountability Project) gründete. Mithilfe eines selbstgeschriebenen Algorithmus durchsuchen Hargrove und seine Mitstreiter/innen die Datenbank von vornehmlich ungeklärten Morden nach statistischen Anomalien und weisen mitunter lokale Behörden daraufhin. Die Aufklärungsrate sank nämlich in den Staaten über die Jahre beträchtlich, 1965 seien 92 Prozent aller Morde in den USA aufgeklärt worden, 2016 nur noch weniger als 60 Prozent. Und offenbar ließen sich viel mehr Morde, als das FBI annimmt, auf Serientäter zurückführen. Ein spannender Longread, der über die Macht von Daten erzählt.
“It’s seductive how powerful these records are, though. Just through looking, you can spot serial killers. In various places over various years, you can see that something god-awful has happened.”
Franziska Giffey
Ihr Vorgänger Heinz Buschkowsky war der wohl bekannteste Stadtteilbürgermeister Deutschlands: Franziska Giffey, SPD regiert Neukölln. Mit Pragmatismus und Durchsetzungskraft, zu diesem Schluss kommt jedenfalls der Berliner Tagesspiegel, eine Broken-Window-Policy nach New Yorker Vorbild verfolgend, ohne diese so nennen zu wollen. Razzien in Casinos und Spielhallen, Anzeigen gegen Falschparker, Versuche, die eigentlichen Regierenden des Viertels – die Clans mit ihren teuren Autos, die überall im Viertel herumstehen – in die Schranken zu weisen. Wie man in einem buntscheckigen Stadtteil für Recht und Ordnung zu sorgen gedenkt – ein Portrait.
Gelegentlich werden auch Kriminelle festgenommen.
Technologie-Unternehmen Washington Post
Eines der traditionsreichsten US-amerikanischen Medienhäuser – die Washington Post – ist mittlerweile nicht mehr nur Tageszeitung, sondern auch Technologie-Firma. Praktisch jeder Verlag mit Online-Angebot nennt sich ja heutzutage so, bei der Post hat sich aus dem Anspruch, die eigene Webseite besser, schneller und flexibler zu machen – für die Redaktion und die Leser – in den vergangenen Jahren jedoch ein interessantes Geschäftsmodell entwickelt. „Arc Publishing“ heißt die Tochterfirma, die das CMS – das Content Management System – der Zeitung nicht nur kontinuierlich weiter entwickelt, sondern auch Mitbewerbern anbietet. 100 Millionen Dollar Umsatz will man so schon bald machen. Features und Feature-Wünsche werden offen besprochen und schließlich allen zugänglich gemacht. Von Journalisten für Journalisten: Das klingt irgendwie besser als von Wordpress für Blogger. Kurze Wege, klare Ansagen für einen hoffentlich besseren Journalismus. Seit Jeff Bezos die Washington Post gekauft hat, geht es mit „Arc Publishing“ in großen Schritten voran. Eine Erfolgsgeschichte, derer es im Bereich der Zeitungen auf dem Weg in die digitale Realität nicht gerade viele gibt.
„Usually, it’s really hard for engineers to understand what a news outlet needs or what journalists need.“
Was passiert, wenn man Trump abschaltet
Am 2. November geschah etwas Ungewöhnliches im Internet. Der Twitter Account von Donald Trump – sein privates Konto und nicht das des US-Präsidenten – ging für exakt elf Minuten offline. Ein Mitarbeiter an seinem letzten Arbeitstag im Unternehmen sei dafür verantwortlich, hieß es kurze Zeit später. Ein Name wurde nicht genannt, nur dass er im Support gearbeitet habe und tagtäglich mit Beschwerden zu tun habe. Allgemeines Kopfkratzen: Ist es wirklich möglich, dass jemand an der Hotline den Account von Donald Trump einfach abstellt? Bahtiyar Duysak konnte sich das nicht vorstellen, als er den Prozess anstoß. Der Deutsche mit türkischen Wurzeln war für längere Zeit in den USA und arbeitete währenddessen bei unterschiedlichen Firmen, u.a. Google und eben Twitter. Kurz vor Schichtende an seinem letzten Tag kam die Beschwerde über einen Trump-Tweet auf seinen Bildschirm. Er klickte, klappte den Rechner zu und ging. Ermittelt wird gegen ihn nicht. Dennoch erzählt er jetzt seine Geschichte. Zurück in Deutschland, sieht er sich mit einer regelrechten Medienhatz konfrontiert. Er hat nichts falsch gemacht, wollte nichts Böses und will einfach nur leben. Und einen neuen Job. TechCrunch hat ihn interviewt.
„I didn’t hack anyone. I didn’t do anything that I was not authorized to do.“