Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.
Barcelona
Barcelona erstickt am Tourismus. Viele sehen in Airbnb einen wesentlichen Mitverantwortlichen an dieser Tendenz und für viele ist die Tourismusplattform nichts weniger als eine Seuche für die Stadt. Die Journalistin Rebecca Mead berichtet für den New Yorker aus der katalanischen Hauptstadt, in der der Ton zunehmend rauher wird. Denn die Spätfolgen, die die Airbnb-sierung für urbane Strukturen und Nachbarschaften mit sich bringt, scheinen noch immer unterschätzt.
„Nearly half the Airbnb properties in Barcelona are entire houses or apartments. The conceit of friendly locals renting out spare rooms has been supplanted by a more mercenary model, in which centuries-old apartment buildings are hollowed out with ersatz hotel rooms. Many properties have been bought specifically as short-term-rental investments, managed by agencies that have dozens of such properties. Especially in coveted areas, Airbnb can drive up rents, as longtime residents sell their apartments to people eager to use them as profit engines. In some places, the transformation has been extreme: in the Gothic Quarter, the resident population has declined by forty-five per cent in the past dozen years.“
Infantiler Kapitalismus
Kollege Cornils macht bei der Spex auf das Phänomen des „infantilen Kapitalismus“ aufmerksam und arbeitet sich dazu an Stranger Things, Greta Thunberg und „Only 80s Kids Will Remember This“-Buzzfeed-Listicles ab, vor allem aber auch zugehörigen Theorien und Autoren. Es geht um das Konzept der „Kindheit“ und dessen Nutzbarmachung für den Profit, die heute allgegenwärtig ist. Kluge Gedanken, für deren Verständnis ein bloßes „drüberlesen“ allerdings nicht ausreicht:
„Stranger Things lässt sich auf verschiedene Arten lesen und die meisten sind recht plump: Eine Metapher auf den Kalten Krieg, angesiedelt im Kalten Krieg? Die Nuklearpanik der achtziger Jahre, neu ausgespielt in und für Zeiten neuerlicher Öko-Dystopien? Die verschwörerische, paranormale Kraft unschuldiger Kinder, welche die Schuld der Erwachsenengeneration auf sich nehmen, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen? Geil, für wie dumm Netflix sein Publikum offenkundig hält, und wie smart das Unternehmen ihm genau diese Scharade verkauft.“
Prekäre Superhelden
Passend zum Start des neuen Avengers-Film fragt sich David Barnett im Guardian, warum es trotz des durchkommerzialisierten Superhelden-Boom den Comic-Läden schlechter und schlechter geht. Die Anzahl der Geschäfte schrumpft weltweit, selbst Institutionen wie St Mark’s Comics in New York mussten schließen. Ist das Comic-Heft einfach nicht mehr zeitgemäß? Spielt das Erkunden des ursprünglichen Mediums keine Rolle mehr für die junge Generation, die die Kinos stürmt? Ist es das Digitale? Und wenn ja: Warum erlebt das gedruckte Heft dann keine ähnliche Renaissance wie die Schallplatte? Das Geschäft mit den Tonträgern zeigt tatsächlich eine interessante Parallele – aber nicht so, wie man denken würde.
„One of the unique challenges in comics is the monthly gamble on what will sell.“
Arbeit als Religion
Keynes versprach den Amerikanern schon vor 90 Jahren, sie würden in Zukunft nur noch 15 Stunden in der Woche arbeiten. Es kam anders: eher 15 Stunden am Tag. In den USA wird länger geschuftet als in den meisten Industrieländern, es gibt weniger Urlaub und kaum soziale Absicherung. Und besonders viel arbeiten die gut Ausgebildeten, gut Verdienenden – Arbeit ist, so analysiert dieser Essay, zum Sinngeber, zur Ersatzreligion geworden. Bei den Millennials kommen noch zwei Faktoren hinzu: die Verdreifachung der Schulden, die sich durch Studiengebühren ergeben, und auch hier die Social-Media-Selbstführung, der Welt ein möglichst perfektes Arbeits- und Freizeitbild von sich selbst abzugeben.
„In the past century, the American conception of work has shifted from jobs to careers to callings—from necessity to status to meaning.“