Leseliste 23. Juni 2019 – andere Medien, andere ThemenDas Horror-Leben von Content-Moderatoren bei Facebook, IMDb, Repression an der Uni und ist Gin noch in?

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

Bodies in seats

Auf der ganzen Welt arbeiten Menschen als Content-Moderator*innen für Facebook. Sie arbeiten sich durch eine Liste fragwürdiger Postings und müssen anhand komplexer Regeln entscheiden, ob die Videos, Kommentare und Bilder gelöscht werden müssen oder online bleiben dürfen. Der Großteil dieser Menschen sind nicht bei Facebook direkt angestellt, sondern bei Subunternehmern, die sich die lukrativen Deals mit dem Sozialen Netzwerk für viel Geld gesichert haben, und sich nicht weiter dafür interessieren, wie es in den Büros zugeht. Den die tägliche Konfrontation mit Gewalt geht nicht spurlos an den Mitarbeiter*innen vorbei, im Gegenteil. Casey Newton hat sich diesem Skandal schon vor mehreren Monaten zum ersten Mal angenommen. Und legt nun bei The Verge den zweiten Teil seiner Recherche vor. Erstmals haben sich Menschen sogar dazu bereit erklärt, trotz unterschriebener Verschwiegenheitsabmachung vor der Kamera zu berichten. Sie werden bedrängt, unter Druck gesetzt und schlecht behandelt. Mit dem Outsourcing dieser wichtigen Jobs an zweifelhafte und ausschließlich dem eigenen Profit verpflichteten Subunternehmer macht sich Facebook schuldig. An Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

„He watched people throw puppies into a raging river, and put lit fireworks in dogs’ mouths. He watched people mutilate the genitals of a live mouse, and chop off a cat’s face with a hatchet. He watched videos of people playing with human fetuses, and says he learned that they are allowed on Facebook “as long as the skin is translucent.” He found that he could no longer sleep for more than two or three hours a night. He would frequently wake up in a cold sweat, crying.“

Bodies in seats

imdb screenshot

IMDb

Die Online-Filmdatenbank IMDb gehört zu den 50 meist aufgerufenen Seiten der Welt. Eigentümer der Plattform ist Amazon. Viele Millionen Einträge zu Film- und Fernsehproduktionen sind hier gelistet. Wer hier nicht auftaucht, hat auch nie an einem Film mitgearbeitet. IMDb ist in Hollywood sehr mächtig. Vor allem die Bewertungen der Filme entscheiden oft über Erfolg und Misserfolg. So kommt es häufig vor, dass große Marvel-Blockbuster in den Evergreenlisten auftauchen, Arthouse-Filme oft nur mittelmäßig wegkommen. Das Bewertungssystem, so sagen Kritiker, sei nicht transparent und würde durch Trolle und alte weiße Männer versifft.

„With this information, a pattern emerges. The internet’s go-to movie database is being shaped by a highly specific group of people with highly specific opinions and, quite frankly, a lot of free time. This problem is not unique to IMDb. Reference sites like Wikipedia are still struggling to diversify their voluntary staff which is overwhelmingly made up of white, male editors.“

The Problem With IMDb’s Rating System

Repression in Deutschland

Die NZZ beschreibt ein zunehmend repressives Klima in Deutschland. Hier geht es allerdings nicht unmittelbar um die AfD in Ostdeutschland oder den brutalen Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke. Hier geht es um den Kunst- und Hochschulbetrieb in Deutschland, in dem Vorträge über Kopftücher gestört werden, in dem aber auch die Entlassung einer Bibliotheksleiterin gefordert wird, weil sie bei den Kommunalwahlen auf der Liste der AfD stand. Im Angesicht der rechten Gefahr in Deutschland muss man dem Autor nicht zustimmen, wenn er versucht eine links-intellektuelle, repressive Klientelpolitik an den Hochschulen der Kunst & Kultur darzulegen – ganz sicher nicht. Aber er lässt einen zumindest kurz nachdenken über die Methodiken, mit denen die eigene Moral verteidigt und doch vielleicht ganz unbemerkt verraten wird.

„Interventionen und administrative Lösungen aus politischen Interessen ersetzen in Deutschlands Hochschul- und Kulturszene zunehmend den demokratischen Diskurs. Über eine Renaissance des Totalitären.“

Die Unfähigkeit zur Freiheit: In Deutschland herrscht ein zunehmend repressives Klima

Gin: noch in?

Mit dem „Ginthusiasten“ Oliver Steffens haben wir vor ziemlich genau fünf Jahren über, natürlich, Gin gesprochen. Jetzt hat der Hamburger ein ganzes Buch drüber geschrieben und es ist eines von gleich dreien, die zu diesem Thema in der letzten Zeit allein in deutscher Sprache erschienen sind. Da ist die Frage ja schon fast rhetorisch: Ist Gin über den Zenit? Am Ende des Trendzyklusses? Oder ist der Wacholderbrand gekommen, um groß zu bleiben? Steffens stand dem Fachmagazin Mixology, in dessen Verlag das Buch auch erschienen ist, Rede und Antwort. Cheers.

„In den deutschen Metropolen leben, über den Daumen gepeilt, knapp 10 Millionen Menschen. Da bleiben noch ca. 72 Millionen mehr – und bei denen, bei der Fläche der Verbraucher, kommt Gin jetzt erst so richtig an.“

Gin-Experte Oliver Steffens im Interview

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Mort Garson, Leif und Michailo + Irakli

Rewind: Klassiker, neu gehörtPixies – Doolittle (1989)