Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
Das neue Rauchen
Es gibt sie, diese Menschen, die es nichtmal für fünf Minuten schaffen, nicht auf ihr Smartphone zu gucken. Um zu snappen, zu instagramstorien, Mails zu checken, Asana, könnte ja alles so mega wichtig sein. Und wenn man ehrlich ist, es sind gar nicht so wenige. Nehmt Leuten die Telefone weg, die Gesellschaft würde ganz schön nervös werden. So viel Codein kann die Pharmaindustrie gar nicht herstellen. Der amerikanische Autor Mark Manson hat mal das recht erfolgreiche Buch „The Subtle Art of Not Giving a Fuck“ geschrieben und auf seinem Blog nun ein launiges, pathetisches Meinungsstück veröffentlicht, das den wagemutigen Vergleich aufstellt: Smartphones sind die neuen Zigaretten. Da kreischen gesundheitsbewusste Insta-Vegan-Yogapants-Mamis natürich auf. Nein! Niemals! Aber Manson hat nicht ganz unrecht und macht durchaus legitime Punkte. Und denken wir doch mal drüber nach, wie wir den Kopf schütteln, wenn im Fernsehen etwas aus den 70/80ern kommt. Wo überall damals geraucht wurde. Und vor allem wie viele es getan haben. Im Kino, Flugzeug, Bus, im Rathaus, in der Uni. Unvorstellbar, diese barbarischen Vorzeitmenschen. Aber was werden wir in zehn Jahren denken, wenn wir die Abermillionen affigen Selfie-Posen vorm Spiegel von heute sehen? Oder Coachella-Videos mit mehr Smartphones als Zuschauern? Eben.
„Their inability to focus interferes with our (already-fragile) ability to focus. The same way second-hand smoke harms the lungs of people around the smoker, smartphones harm the attention and focus of people around the smartphone user. It hijacks our senses. It forces us to pause our conversations and redouble our thoughts unnecessarily. It causes us to lose our train of thought and forget that important point we were constructing in our head. It erodes at our ability to connect and simply be present with one another, destroying intimacy in the process.“
Bernd das Brot
Wenn sich ein Versprecher in einen Running Gag einreiht: Vermutlich wollte Frau Slomka im heute journal wirklich Björn sagen, aber sie hat Bernd gesagt. Vermutlich, weil sie vorher Lucke gesagt hat, und der heißt, anders als sein Ex-Parteifreund Björn, Bernd. Es ist ein Versprecher, aber einer mit Kontext. Seit seiner berüchtigten „Sportpalast-Rede“, mit der sich der beurlaubte Gymnasiallehrer und irrlichternde Ideologe Björn Höcke endgültig desavouiert hat, kursiert der Mediengag, ihn statt seines skandinavischen einen deutschen Vornamen zu geben, den Mama-sucht-mir-mit-35-immer-noch-die-Hemden-raus-und-ich-spiele-immer-noch-gerne-mit-meiner-H0-Eisenbahn-Vornamen. Bernd. Da kann er sich noch so aufregen, den hat er jetzt.
„‚Ich heiße nicht Bernd Höcke, ich heiße Björn Höcke!‘, brüllte der Thüringer AfD-Chef in ein Demonstrationsmikro.“
Der grüne Apfel
Apple hat diese Woche seinen jährlichen Umweltschutzbericht veröffentlicht, zum gestrigen „Tag der Erde“ vier – wirklich ganz gute und kurzweilige – Videos zum Thema Umwelt veröffentlicht und gleichzeitig alle mit einer Apple Watch zum Dauerlauf aufgerufen. Damit man nicht so lange im SUV – pardon, Tesla – sitzt. Apple nimmt den Umweltschutz ernst, das steht außer Frage, und hat in den vergangenen Jahren viel investiert und große Fortschritte gemacht. Langfristig will das Unternehmen für die Herstellung neuer Geräte sogar nur noch recycelte Rohstoffe einsetzen und die endlichen Ressourcen unserer Welt mit so einem geschlossenen Kreislauf nicht noch weiter ausbeuten. Klingt super, ist aber kompliziert. Jason Koebler von Motherboard hat sich mit den Recycling-Praktiken von Apple in den USA auseinandergesetzt und berichtet über Vorgaben, die die grüne Weste des Unternehmens gar nicht mehr so grün erscheinen lassen. Denn was ist noch besser, als Dinge zu recyceln? Sie länger zu benutzen. Und genau das lässt Apple laut des Berichts aktuell noch nicht zu. Apple-Produkte – iPhones, MacBooks – werden bei Recycling-Firmen erst auseinandergenommen und dann geschreddert. Der Wiederverkauf von noch funktionstüchtigen Komponenten sei verboten, heißt es. Das hat Folgen: Seltene Erden beispielsweise können so nicht gerettet werden.
„Apple can say that it wants to revolutionize the recycling industry, but right now, it's just holding it back.“
Open Science
Die Debatte um Fake-News ist abseits der oft berechtigten Medienkritik vor allem eins: Eine Krise für die Wissenschaft. Rund 11.000 Menschen sind gestern in Berlin für den weltweit stattfindenden „March for Science“ auf die Straße gegangen, um für freie Wissenschaft und gegen die Leugnung wissenschaftlich belegter Erkenntnisse zu protestieren. Es ist vor allem ein Appell an die Vernunft. Aber auf welche Vernunft kann man noch abzielen, wenn Aufklärung und Evolution von der theoretischen Zielgruppe solcher Proteste im besten Fall nur noch mögliche Szenarien darstellen, im schlimmsten Fall als Humbug abgetan werden? Und was sind die Instrumente dafür? Eine Frage mit der sich (hoffentlich) auch die im Juni anstehende Lange Nacht Der Wissenschaften auseinandersetzen wird. Dieser Artikel aus der Zeit tut es schon heute schlägt vor: Mehr Transparenz, Open Science!
„Aber die Wissenschaft lernte dazu, machte nach außen sichtbar, dass ihr Wesen nicht im Wissen, sondern im Zweifeln besteht. Dass sie nicht Wahrheiten zu verkünden hat, sondern Wahrscheinlichkeiten. Das Bekenntnis sollte zu ihrer Glaubwürdigkeit beitragen. Bewirkt hat es offenbar das Gegenteil.“