Leseliste 21. Juni – andere Medien, andere ThemenRadar Ost Digital, Exnovation, Kunstförderung und Didi & Stulle

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

radar ost digital screenshot

Screenshot vom Vorplatz

Radar Ost Digital

Seit Freitagabend und noch bis heute Abend läuft das Theaterfestival Radar Ost am Deutschen Theater. Dank Corona natürlich: digital. Aber nicht in Form spröder Streams, die sich über eine Art klickbares Programmheft erreichen lassen. Nein, Radar Ost darf zweifellos zu den ambitioniertesten Streaming-Projekten gezählt werden. Das Venue, wird im Stil einer Graphic Novel auf den Bildschirm geholt. Der Besucher kann sich von Raum zu Raum, von Saal zu Saal bewegen, wo dann zu gegebener Uhrzeit die Streams stattfinden. Die drei großen Aufführungen am Abend sind entgegen der gewohnten Streamingpraxis auch nur zur jeweiligen Zeit „live“ zu sehen – danach nicht mehr. Für den Bar-Talk gibt es sogar einen Bereich mit Sprach-Chat-Funktion. Schaut unbedingt rein. Inwieweit das Projekt nach dem Ende am heutigen Abend noch abrufbar bleibt, war nicht so ganz rauszufinden. Wäre natürlich schade, wenn alles weg wäre. Bei Nachtkritik kann man ausführlich nachlesen, was das Programm zu bieten hat.

Niemand wird behaupten können, dass dieses Festival nicht wirklich stattgefunden hat.

RADAR OST DIGITAL (zum Festival)
"Hey, Ihr im Westen!" (Bericht bei nachtkritik.de)

bikelane

Foto: Redaktion

Exnovation

Und wo ist sie denn nun, die so viel zitierte „neue Normalität“? Dass viel beschworene „nach Corona werden wir nicht mehr zurück zu ...“? So richtig anders fühlt es sich jetzt nicht an, oder? Für die Aktivistin Luisa Neubauer, Co-Autorin von Vom Ende der Klimakrise, zeichnet sich jetzt schon ab: Wir wollen gar nicht anders, wir wollen insgeheim doch wieder zurück. Zurück zu alten Gewohnheiten, möglichst gar nicht so viel Veränderung. Denn die braucht neben Innovation auch Exnovation, neben der Bereitschaft, sich dem Neuen zuzuwenden, auch den Elan, sich vom Alten abzuwenden. Und da hängen wir doch ziemlich fest. Resilienz? Ja bitte. Echte Verbesserung, mit allem, was das verlangt? Ach nein. Popup-Bikelanes ja, Verkehrswende nein. Erneuerbare Energien ja, Ausstieg aus der Kohle nein (nicht jetzt).

Ohne Ende kein Anfang, und wer eine schöne neue Welt will, muss auch irgendeiner Welt den Rücken kehren. Weil wir das Aufhören nicht können und nicht wollen, weil niemand Aufhörer wählt, sondern Macher, müssen wir weitermachen. Und dieses »weiter so« wird uns nach Corona in eine Normalität verfrachten, die soweit es nur irgendwie geht, der ähneln wird, die wir vor Corona kannten.

The Long Goodbye

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Photo by REVOLT on Unsplash

Die Zukunft der Künste

Kluges Gedankenspiel von Thomas Steinfeld in der SZ. Von der Unterstützung von Künstler*innen während der Pandemie ist nicht nur allerorts zu lesen – sie wird auch zu recht heiß diskutiert und scharf kritisiert. Die Unzulänglichkeiten bei der Bewertung, wer nun förderungswürdig ist und wer nicht, legen das kulturelle Grundverständnis der Politik offen. Steinfelds Sorge: Je länger der Ausnahmezustand dauert, desto ausgedünnter und ärmer wird die Szene – von Musik bis zu Performance. Das hat strukturelle Gründe, die kein Weg für die Zukunft sind, sein dürfen.

Warum ihnen also keinen Künstlerlohn zahlen, wenigstens so lange, bis ein Impfstoff gegen die Seuche gefunden ist und es wieder voll besetzte Konzerte geben kann? Erhielte jeder dieser Musiker das Anfangsgehalt einer Floristin (was mehr wäre, als die meisten Musiker vor der Krise verdienten), käme eine Summe heraus, die, auf das Jahr bezogen, ungefähr dem Budget der Bayerischen Staatsoper entspräche. Und dieses Haus ist nur eine von achtzig Opernbühnen in Deutschland.

Rapper, besoldet nach Bundesangestelltentarif

Farin Urlaub und Bela B lesen Didi & Stulle

Die beiden Berliner Ärzte Farin Urlaub und Bela B haben vergangene Woche eine Lesung im Kreuzberger SO36 veranstaltet. Gelesen werden Didi & Stulle-Comics von Fil. Die legendären Atzen Didi & Stulle waren wichtiger Kaufgrund für die Zitty, die kürzlich krisenbedingt aber auch ihr Ende verkündet hat. Harte Zeiten. Auch diesmal geht es um die finanzielle Rettung der Berliner Live-Clubszene. Bislang konnten rund 20.000 Euro für die beteiligten Läden Badehaus, Cassiopeia, Columbia Theater, Festsaal Kreuzberg, Frannz Club, Gretchen, Monarch, Musik & Frieden, Privatclub, Quasimodo, Säälchen, Schokoladen, Schwuz, Silent Green sowie das SO36 gesammelt werden.

Berliner Liveclubs veranstalten gemeinsam eine Lesung mit der Berliner Band die ärzte (ohne Rod). Bela & Farin lesen (ohne Rod und ohne Live-Publikum) im legendären Berliner Club SO36 aus „Didi & Stulle“, dem Meisterwerk des formidablen Berliner Comic-Tausendsassas Fil. Der Eintritt zur exklusiven Ausstrahlung der Lesung ist freiwillig und in der Höhe frei wählbar. Es gilt: Viel hilft viel. Alle Eintrittsgelder kommen renommierten Berliner Livekonzert-Clubs zu Gute, die Corona-bedingt geschlossen haben und um ihre Existenz kämpfen.

Zur Lesung und Kampagne

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Alva Noto, Running Back und Nídia

Mix der Woche: Minimalistic Ethio 80s & 90s from AudioTapesCharming, vertüddelt und Lo-Fi