Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind. Und zum Glück abgespeichert wurden.
Die Macht der Platzwarte
Passend zur EM analysiert William Ralston für den Guardian einen britischen Exportschlager, den vermutlich nur wenige Menschen so auf dem Zettel haben – selbst Sport-Enthusiast*innen nicht: Platzwarte. Die haben sich nämlich in den vergangenen Jahrzehnten zu absoluten Rasen-Profis gemausert und sind weltweit heiß begehrt. In allen Sportarten sehnt man sich nach der britischen Expertise, das Spielfeld, also den Rasen, so perfekt wie möglich aufzubauen und zu pflegen, damit die heimischen Mannschaften ideale Bedingungen vorfinden. Ihre Gehälter sind hoch, es werden Ablösesummen bezahlt – nur um das Handwerk und das Wissen um das satte Grün abgreifen zu können. Um das Phänomen ist mittlerweile eine große Industrie gewachsen – Milliarden schwer, technisch advanced und uneinholbar.
The English grounds-management sector alone is valued at more than £1bn and employs more than 27,000 people, with specialists in every area, from seed enthusiasts who can breed grasses that grow in the shade to scientists who develop chemicals to make grass greener.
‘The Silicon Valley of turf’: how the UK’s pursuit of the perfect pitch changed football
Claas Relotius
Kurz vor Ende des Jahres 2018 war im deutschen Journalismus nichts mehr, wie es war: Das Wunderkind der Reportagenwelt, Claas Relotius, war aufgeflogen. Nach und nach kam heraus: Ein Großteil seiner preisgekrönten Berichterstattungen aus aller Welt sind Fake. Nun hat sich der ehemalige Spiegel-Mitarbeiter zum ersten Mal öffentlich dazu geäußert. Dem Schweizer Reportagen-Magazin steht er Rede und Antwort, veröffentlicht in einem langen Interview. Um es zu lesen, muss man eine Mailadresse angeben und bekommt dann den Link zugeschickt. Der Umweg lohnt sich, denn was Relotius zu sich, der Causa und zu Juan Moreno, der seine Täuschungen aufdeckte, zu sagen hat, ist durchaus interessant, verwirrend – und verstörend.
Als ich im Sommer 2012 von einer längeren Reise nach Israel zurückkam, funktionierte meine Sprache nicht mehr. Ich hatte Angst zu sprechen, habe mich in meinem WG-Zimmer eingeschlossen, Steckdosen abgeklebt. Ich hatte das Gefühl, meine Gedanken verschwinden und fremde Gedanken strömen ein. Der Typ, der am Bahnhof mit sich selbst redet ‒der war in der Zeit ich. Aber statt zu Hause zu bleiben, habe ich versucht, gleich wieder zu verschwinden und Ihrer Redaktion ein Thema vorgeschlagen. Das war wie eine Flucht.
Ich hatte nicht mehr das Gefühl, eine Grenze zu überschreiten
Corona-Wampe
Die taz-Autorin Magda Albrecht macht sich Sorgen über die Rückkehr der alten Normalität. Denn „Normalität“ bedeutet für die Autorin schamvolle Blicke, Fat-Shaming und ungefragte Kommentare und Ratschläge über ihren Körper. Viele Leute haben während der Pandemie paar Pfunde zugelegt und daraus eine Art Lifestyle zelebriert, der nun mit der Reisesaison auch schon wieder vorbei ist. Aber was ist normal und wer profitiert eigentlich von dieser vermeintlichen Normalität?
Mittels einer einfachen Rechnung konnte nun jeder Mensch ausrechnen, ob er „Normalgewicht“ hat. Nebenbei lernt man, wer aus diesem „normal“ rausdefiniert wird: Menschen mit hohem Gewicht. Die neu definierten Grenzwerte setzten sich binnen weniger Jahre weltweit durch. Heute hängen BMI-Tabellen in Arztpraxen, Gesundheits- und Sportzentren und teilen uns fein säuberlich in Boxen ein, die Auskunft über unsere Gesundheit, gar über unsere Lebenserwartung geben sollen. In den USA, in denen vor der globalen Vereinheitlichung des BMI viel höhere Werte galten, wurden nach Übernahme der neuen Maßeinheiten ganze 35 Millionen Menschen mehr als übergewichtig definiert – ohne, dass sie auch nur ein einziges Pfund zugelegt hatten. Wer vorher als „normal“ galt, war nun „übergewichtig“. Profitiert haben vor allem die milliardenschweren Pharma- und Diätindustrien; einige ihrer Akteure hatten die oben erwähnte Konferenz übrigens mitorganisiert.
40 Jahre Indiana Jones
Vor 40 Jahren erschien der erste Teil des Indiana-Jones-Franchise „Jäger des verlorenen Schatzes“ in den Kinos. Ein hanebüchener, aber zugleich unterhaltsamer Abenteuerfilm, der viele Filme in der Folge inspiriert hat und Steven Spielberg und George Lucas in Hollywood noch unsterblicher werden ließ. Brin Phillips erklärt für The Ringer, was für einen popkulturellen Input der Film mit Harrison Ford hatte und wie er heute wirkt.
What’s fascinating about this dynamic to me is the way in which it accidentally mirrors a strangeness in watching Raiders of the Lost Ark today. After all, the movie was always about old books, not only on the overt level of plot but on the level of inspiration and conception. Raiders premiered on June 12, 1981, 40 years ago this week. Incredibly, this means that the film is almost as close in time to its mid-1930s setting as it is to us in 2021. When the film came out, it was widely understood to be an homage to the old serials of the 1930s produced by Republic Pictures, a now-defunct studio that specialized in exuberant adventure movies that, years before televisions started appearing in American living rooms, gave their audiences a steady drip of recurrent entertainment.
The Pulp and Pleasure of ‘Raiders of the Lost Ark’, 40 Years Later