Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
##Der Brexit und die Musikindustrie
Sollte sich Großbritannien am kommenden Donnerstag für den Ausstieg aus der EU entscheiden, hat das weitreichende Folgen. UK hatte innerhalb der Europäischen Union immer einen Sonderstatus mit angeschlossenen Sonderrechten und -regelungen, profitierte gleichzeitig jedoch von den Vorzügen, den zum Beispiel ein vereinheitlichter Wirtschaftsraum mit sich bringt. Laura Snapes untersucht für Pitchfork die Auswirkungen für die Musikindustrie nach dem Brexit. Und hat dafür mit vielen Protagonisten gesprochen: Musikern, Anwälten, Labels, Plattenläden und Bookern. Das ist mitunter etwas reißerisch, in großen Teilen jedoch offen, ehrlich und nachvollziehbar. Es wird alles teurer, für alle Beteiligten. Und ob Großbritannien zukünftig wirklich allein mit Google und Co. über die Zukunft des Urheberrechts verhandeln will?
„It’s difficult and expensive enough to make as it is. We don’t want to make it any worse.“
The UK Leaving the EU Would Change the European Music Industry
##Silicon Valley oder: echtes Reality-TV
Die HBO-Sitcom „Silicon Valley“ gilt als eine der besten Fernseh-Serien aktuell. Nicht nur, weil ihr Humor viele anspricht, die gemeinhin mit „witzigem“ Fernsehen so gar nichts am Hut haben und allein deshalb schon vieles richtig zu machen scheint. In der kalifornischen Tech-Blase gilt „Silicon Valley“ als realistisches Abbild des Silicon Valley. Mit all dem Wahnsinn, der sich entspinnt, wenn mittlerweile mehrere Generationen von Technologie-Entrepreneuren immer wieder aufeinanderprallen. Die Gewinner, die Verlierer, die alten Hasen und die Newbies. Wie geht das? Andrew Marantz erklärt im New Yorker die Mechanismen. Über 200 Insider schreiben am Script mit und beraten das Team. Und auch die beiden Produzenten – Mike Judge und Alec Berg – kennen die Szene in- und auswendig.
„Real startups go through all the shit you see on the show, as well as even crazier shit.“
##Wie geht’s weiter mit Apple Music?
Rund ein Jahr nach dem Start von Apples Musik-Streaming sind die größten Bugs behoben, 15 Millionen Kunden nutzen den Service aktiv und bezahlen eine monatliche Gebühr: zwischen fünf und 15 Euro. Auf der Entwickler-Konferenz WWDC in der vergangenen Woche wurden für Apple Music jedoch keine neuen Features angekündigt, lediglich ein Redesign und eine stärkere Integration des hauseigenen Radiosenders Beats 1 sollen bis auf weiteres mehr Attraktivität bringen. Apples verantwortliche Manager – Eddy Cue (oben im Bild), Robert Kondrk, Beats-Boss Jimmy Iovine und Nine-Inch-Nails-Frontmann Trent Raznor beziehen in einem Interview mit Billboard Position. Kurz und knapp: Veränderungen und Entwicklungen brauchen Zeit, die unterschiedlichen Teams arbeiten besser zusammen, die traditionellen Gegensätze zwischen der Tech-Szene im Valley und der Musik- und Unterhaltungs-Branche in L.A. sind durchbrochen, alle haben das gleiche Ziel. Man muss ein wenig zwischen den Zeilen lesen, um mögliche Stoßrichtungen für die Zukunft abzuleiten. Dass Trent Reznor so offen heraus gegen YouTube motzt, kommt sicher nicht von ungefähr. Dass es bei Apple Music bald auch Videos geben wird, gilt als sicher.
„Ich empfinde das Geschäftsmodell von YouTube als sehr hinterlistig.“
##Über Datenhandschuhe und Faxgeräte
Die Welt dreht sich einfach zu schnell. Das gilt für alle Lebensbereiche, vor allem spürbar ist diese evolutionäre Lichtgeschwindigkeit jedoch in der Technik-Branche. Was in einem Moment noch all zuverlässiges Zukunftsversprechen gilt, kann ebenso schnell wieder vergessen sein. Hat nicht funktioniert, war nicht ausentwickelt, vielleicht aber auch der Zeit einfach voraus. Anna Wiener wagt den Selbstversuch. Sie arbeitet seit langer Zeit im Silicon Valley, hat in einem Anflug aus nostalgischem Wahnsinn ganze Jahrgänge des Wired-Magazins auf eBay gekauft und liest seitdem mit großer Begeisterung die Mischung aus journalistischen Zukunftsorakeln von anno 1993-1995 und offenkundigen Advertorials. Die „Fetish“-Kolumne war schon immer eine der Stärken des Magazins. Gadgets pornös fotografiert, mit kurzen und knackigen Beschreibungen erklärt. Gleichzeitig die ersten und wichtigen langen Artikel zu Themen, die uns zum Teil heute noch immer beschäftigen und/oder verfolgen. Dazu die großflächigen Anzeigen für Games, Laptops, Datenhandschuhe, Pager und Faxgeräten. Es ist eine Reise in die Vergangenheit, die sich zum Teil anfühlt wie in eine dystopische Steinizeit, zum Teil aber auch immer noch aktuell ist.
„Hand-held devices are replacing secretaries.“