Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
##Außen klassisch, innen Platte.
Gentrifizierung bedeutet – ganz praktisch – Sanierung, Neubau, teure Wohnungen. Dass dabei auch viel Schund entsteht und man es nicht allen recht machen kann – eh klar. Ulf Poschardt macht in der Welt aber den klaren Trend eines neuen Gründerzeitstils aus. In modern eben, und das heißt in diesem Fall: kleiner. Alles luxuriös und pompös, nur die Deckenhöhe ähnelt eher der Platte als dem Altbau. Vier Etagen der Gründerzeit entsprechen heute sieben Stockwerken eines Neubaus im Gründerzeitstil. Aber irgendwie muss sich das ja auch rechnen, mit dem Marmor in der Eingangshalle. Der Artikel ließt sich wie ein Rant und die adressierten Architekten finden namentlich Erwähnung. Aber das müssen sie aushalten, der nächste Auftrag liegt wahrscheinlich eh schon auf dem Tisch.
„Erstaunlich sind die Größenordnungen der Gründerzeit-Zombies. Die nämlich folgen gerne den Schemen der ostdeutschen Platte. Auch was die Massierung der Bauvolumen betrifft. Je niedriger die Decke, desto dicker die Säule vor der Tür, je kleiner die Fenster, desto marmorner das Entree, je verklemmter die Baupläne, umso pompöser die Namen.“
##Hörbücher
Das gedruckte Wort hat einen neuen Feind: das gesprochene Wort. Ob das Ebook tatsächlich das Taschenbuch überholen wird, bleibt abzuwarten, in den USA zumindest haben „Leserinnen und Leser“ einen neuen bevorzugten Weg, um Text zu konsumieren. Das Hörbuch – egal ob Liebesgeschichte, Thriller, Ratgeber, Bestseller oder Special Interest – verkauft sich immer öfter deutlich besser als die Printausgabe oder das Ebook. Oft um ein Vielfaches. Die Meinungen und Einschätzungen darüber, warum das so ist, gehen auseinander. Bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler mit ihren markanten Stimmen ist jedenfalls nicht der einzige Grund, auch wenn sich schon die ersten Fanclubs für bestimmte Sprecherinnen und Sprecher bilden, deren Mitglieder alles kaufen und hören, was es von ihnen gibt. Auch unbekannte Stimmen können Büchern zu ungeahntem Erfolg verhelfen. Jeremy Olshan hat sich bei Verlagen umgehört.
„Ein kultureller, ja ästhetischer Wandel.“
##Vorbild Griechenland?
Lesbos ist eine wunderschöne Insel, mit tollen Badebuchten, Pinienwäldern, romantischen Dörfchen und einem Fluss mit Babyschildkröten. Und mit relativ wenig deutschen Touristen, die sich hier – wie etwa auf Kos – das vorsetzen lassen, was sie für griechische Küche halten. Mit Kos gemeinsam hat Lesbos indes, dass hier neben Touristen auch viele „Vagabunden“ (wie der Soziologe Zygmunt Bauman die Reisenden wider Willen nennt) ankommen. 5.000 am Tag. In einem Land wie Griechenland, das seine Bürger derzeit selbst kaum versorgen kann. Und doch, das veranschaulicht dieser Beitrag, geht es: Weil der notwendige Strukturaufbau vor Ort nicht provisorisch, sondern long-term gedacht ist, alle davon profitieren (wonach in hiesigen Parlamentsdebatten derzeit laut geschreit wird) und beeindruckend viel freiwillige Hilfe geleistet wird.
„Die Menschen gehen einfach vorbei.“
##Scott Weiland
Am 3. Dezember wurde der Sänger der amerikanischen Rockband Stone Temple Pilots im Alter von 48 Jahren tot im Tourbus aufgefunden. Bislang aus ungeklärten Gründen – aller Voraussicht nach steht sein Tod aber mit seinem massiven Drogenmissbrauch in Verbindung. Unter Musikjournalisten galt Scott Weiland als eine Art Kurt Cobain, nur ohne Schrotflinte. Haftstrafen wegen Drogen, zahlreiche Entzüge, Schlagzeilen in den Boulevardmedien. Weiland zelebrierte die Entgleisung des Rockstars und das Leben als Drogendrama als ein letzter seiner Art. Auch in Zeiten, in denen Celebreties eher mit Grünkohl-Smoothies und Fitnessstudio-Selfies prahlen als mit der Anzahl der konsumierten Kokslines und Whiskyflaschen. Vor zehn Jahren gab der Musiker ein ungewohnt offenes und ehrliches Interview dem Esquire, das zu dem Anlass online wieder veröffentlicht wurde. Eine traurige wie tragische Geschichte. Weiland hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.
„When I started doing heroin, I felt almost immediately like I had become part of something bigger than myself, that I'd entered into a new social realm. There was a period of time when I liked to go to downtown L.A. and hang out in the parks. I'd end up on these weeklong adventures. Sometimes I'd get a suite in an expensive hotel. Other times I'd get a fifteen-dollar room right across from the park.“
This Is My Life, a Cautionary Tale. Maybe Somebody Can Learn from It