Leseliste 10. April 2021 – andere Medien, andere ThemenImpfdesaster, Social-Media-Terror, Anne Will und Stillstand im Suezkanal

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind. Und zum Glück abgespeichert wurden.

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Photo by Markus Spiske on Unsplash

Deutsches Impfdesaster

Über kaum etwas wird dieser Wochen so leidenschaftlich geschimpft wie über das vermeintliche deutsche Impfdesaster. Der taz-Journalist Michael Barke findet hingegen: So schlimm ist das alles eigentlich nicht. Weniger Jammern wie bei der Deutschen Bahn würde vor allem auch dem eigenen psychischen Wohlbefinden zugute kommen.

Es ist schon absurd: Früher als erwartet gab es Impfstoffe, die dazu noch deutlich wirksamer sind als erhofft. Statt das als tollen Bonus in der Pandemiebekämpfung zu sehen, passierte das Gegenteil. Die deutsche Impfkampagne wurde von Anfang an schlechtgeredet, ein internationaler Impfwettbewerb startete und es ging nur noch darum, warum die nun schneller sind als wir. Jeder Schwung wurde zerjammert. Deutschland übererfüllt in dieser Frage spektakulär sein Klischee als Miesepeter und Sich-selbst-Schlechtmacher.

Es gibt kein deutsches Impfdesaster

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Photo by Olivia Bauso on Unsplash

Übergriffige Social Media

Die Autorin Lauren Goode wollte 2019 heiraten, sagte aber kurzfristig ihre Hochzeit ab. Keine leichte Entscheidung, dennoch geht es einigen Paaren so, die sich kurz davor doch anders entscheiden – fair enough. Seitdem lassen Social Media wie Pinterest, Facebook und Instagram ihr aber keine Ruhe mehr, denn für die Algorithmen und Softwares will Lauren noch immer heiraten. Sie wird auch technisch gesehen ihre Dämonen nicht mehr los. Und dafür gibt es keinen Schalter.

The wedding itself was canceled in a series of fast phone calls, emails, and forfeited deposits. The save-the-date cards were shoved into a closet. The other remnants of an eight-year relationship would be a lot harder to erase. Social media and photo apps were by now full-on services, infused with artificial intelligence, facial recognition, and an overwhelming amount of presumption. For months, photos of my ex appeared on the Google Home Hub next to my bed, the widgets on my iPad, and the tiny screen of my Apple Watch. So yeah: My ex’s face sometimes shows up on my wrist. As I write this, Facebook reminds me that nine years ago I visited him in Massachusetts and met his family’s dog.

I Called Off My Wedding. The Internet Will Never Forget

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Image: Martin Kraft(photo.martinkraft.com), License: CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Anne Will

Ab und an werden wir hier jetzt auch Audiostücke vorstellen, die wir als hörenswert erachten. Gutes Hören ist ja wie gutes Lesen. Dieses Mal geht es um Anne Will – weniger um die Person als vielmehr um die Talkshow. Wie funktioniert die? Wie wird eine Sendung geplant, wie werden die Gäste zusammen gestellt? Ein Gespräch unter Kolleg*innen: Der Journalist Philip Banse spricht mit Anne Will für seinen Podcast „Das Interview“, der immer hörenswert ist. Über false balance, Fragetechniken und warum Christian Drosten bisher noch nicht zu Gast war.

„Gut, dass antworten Sie immer. Haben Sie für uns mal 'ne neue Antwort parat?“

Wie entsteht die Talkshow Anne Will?

Suezkanal

Photo by samuel hanna on Unsplash

Acht Jahre im Suezkanal

Das Containerschiff „Ever Given“ hat sich ja mittlerweile, nach Tagen des Festhängens, aus dem Suezkanal verzogen und mit ihm flachen auch die unzähligen Memes (eins davon hier) ab. Der wirtschaftliche Schaden geht in dreistellige Millionenhöhe, doch trotzdem wird wohl schon bald niemand mehr an diesen kurzen Zwischenfall denken. Einen sehr kurzen im Vergleich zu dem, was sich im Kanal vor rund fünfzig Jahren ereignete: Da nämlich hing gleich eine ganze Armada an Frachtschiffen im großen Bittersee, Teil des Kanals, fest. Kriegsbedingt. Viele Jahre lang. Was zu einer bislang einzigartigen Schiffsgemeinschaft führte: Die Besatzungen besuchten sich gegenseitig, spielten Fußball, handelten mit Waren, es gab sogar eigene „Great Bitter Lake Association“-Briefmarken. Eines der Schiffe war der Frachter „Münsterland“, das erst nach acht Jahren zurück nach Hamburg kehrte. Auf der Webseite der Reederei ist die unglaubliche Story nachzulesen.

Unter den Augen der verfeindeten Nahostparteien gab es auf dem Bittersee internationale Kostümfeste, ein Speedboat ermöglichte Wasserski für alle, Beiboote wurden als Segeljollen für Regatten aufgetakelt. 1968 war Olympiajahr, also veranstaltete die GBLA „Djakarta“ eigene Bittersee-Spiele, für die die polnischen Kollegen eigens Medaillen schmiedeten. Unter den Disziplinen waren Rudern und Gewichtheben, Schwimmen und Kunstspringen, Tischtennis und nicht zu vergessen Fußball, für den ein Deck der britischen „Port Invercargill“ in ein improvisiertes Stadion verwandelt wurde.

Gefangen im Suezkanal

Christine Ott, The Dirty Nil, Thomas FehlmannWochenend-Walkman – 09. April 2021

Jóhann Jóhannsson – A User’s ManualChapter 3: Dís (2004) – English