Leseliste 06. März 2021 – andere Medien, andere ThemenGeheimgang im Badezimmer, Vielfalt in der elektronischen Musik, Sendung mit der Maus, Christiane F.

Leseliste

Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind. Und zum Glück abgespeichert wurden.

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Photo by Marian Kroell on Unsplash

Hintertür im Badezimmer

In dieser Woche ging ein TikTok-Video von Samantha Hartsoe viral. In ihrem New Yorker Appartment entdeckte sie ein Loch hinter dem Badezimmerspiegel. Sie klettert hindurch und findet sich plötzlich in einer anderen Wohnung wieder. Auf Twitter wurde daraufhin ein Artikel im Chicago Reader von 1987 empfohlen, in dem es um genau solche versteckten Badezimmer-Zugänge in den mittlerweile abgerissenen Hochhäusern der ABLA-Projects in Chicago geht. Und um Ruth Mae McCoy, deren Mörder sich so Zugang zu ihrer Wohnung verschafften. Ein großartiger Text aus der Vergangenheit über einen Mord, Behördenversagen und die Menschen und Geschichten in den damals kriminellsten und düstersten Projects von Chicago.

The mode of entry didn't startle residents of the high rises; Abbott intruders have been breaking into their apartments through medicine cabinets for at least a year. Even the dullest youth here knows you can slither from one apartment to the adjacent one through the pipe chase, about two-and-a-half feet across, between the cabinets.

They Came in Through the Bathroom Mirror

Entkolonialisierung der Musik

Wenn man sich auf etwas in der westlichen Kulturtradition „verlassen“ kann, dann darauf, dass der Anspruch der globalen Allgemeingültigkeit mit allen Mitteln umgesetzt wird. Das gilt auch für Musik, also auch für Musik-Software. Denn die wird halt nicht in Ghana programmiert, sondern im Valley, in Berlin oder London. Khyam Allami Stört das schon lange. Irakische Eltern, in Syrien geboren, in London aufgewachsen, Drummer in Punk-Bands. Rhythmische Strukuren und melodische Stimmungen aus der arabischen Welt sind in Ableton. Logic und Co nur schwer umzusetzen. Das wohltemperierte Klavier und das 4/4-Diktat bestimmen die Produktion. Leimma und Apotome heißen die beiden kostenlosen Apps, mit denen er das ändern, bzw. Musiker*innen einfach mehr Optionen geben möchte. Für mehr Vielfalt. Auf dem CTM-Festival in Berlin konnte man die Möglichkeiten bereits hören.

“It has the potential to revolutionize the process and the outcome of electronic music composition.”

Decolonizing Electronic Music Starts With Its Software

Die Maus

Die Maus wird 50 Jahre alt und wird hierzulande die allermeisten Kinder geprägt haben, ist es doch einfach eine der klügsten und tollsten Sendungen, die je für die kleinsten Fernsehgucker*innen gemacht wurde. Armin Maiwald, heute 81 Jahre alt und noch immer für die Maus aktiv, war von Beginn an dabei, so etwas wie der Papa von Maus und Elefant und erzählt im Interview mit DWDL auch von Krisen und Geschichten, aus denen nie etwas geworden ist.

„Die Redaktion wollte immer mal wieder eine Geschichte darüber machen, wie eigentlich Krieg entsteht. Ich habe unheimlich viel Literatur dazu gelesen und mit Leuten gesprochen. Sieben oder acht Drehbücher habe ich zu dem Thema geschrieben, aber das war der Redaktion letztendlich nicht schlüssig genug. Insofern ist das eine Geschichte, die ich in der Schublade liegen habe. Ich weiß aber nicht, ob ich sie jemals fertig bekommen werde.“

Ich habe gedacht, das könnte der Todesstoß sein

Wir Kinder vom Bahnhof Simulakrum

Remakes haben es natürlich nie leicht, und so hatte „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ als Amazon-Serie gegenüber dem Originalfilm von 1981 vermutlich von vorne herein keine guten Karten. Doch die harsche Kritik, die das Pastiche bekommt, ist berechtigt. Nicht weil es auf „Authentizität“ verzichtet und in der Neuversion des Clubs „Sound“ nicht Bowie in der Dauerschleife, sondern lieber aktuellen Electro laufen lässt (schließlich adressiert die Serie auch die Gen Z). Das Problem ist eher die Überdramatisierung, die Überkostümierung, das durchweg Schrille in Bildern und Dialogen. Findet der Monopol-Autor Oliver Koerner von Gustorf und nimmt die Neuauflage in seiner ellenlangen, mitunter wunderbar verschwurbelt abdriftenden Kritik ordentlich auseinander. Die Spaß macht zu lesen, auch ohne die Serie gesichtet zu haben.

„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ist nur eine von vielen Serien oder Filmen, die reale historische oder biografische Zusammenhänge und Ereignisse als eine kommerzielle Schlachtplatte nutzen, um superglatte Ausstattungsfilme zu schaffen, die in einer hybriden, bereinigten, kunterbunten Parallelwirklichkeit spielen.

Eine Serie von Spießern für Spießer

Calibre, Nur Jaber, Freelove FennerWochenend-Walkman – 05. März 2021

Jóhann Jóhannsson – A User’s ManualChapter 2: Virðulegu Forsetar (2004) – Deutsch