Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.
Evas Stories
Eva Heyman war eine ungarische Jüdin. Sie war 13 Jahre alt, als die Wehrmacht in ihre Heimat einmarschierte. Nur wenige Monate später wurde sie nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht. In der Zeit von ihrem Geburtstag bis zur Deportation führte sie ein Tagebuch, auf dessen Basis der israelische Millionär Mati Kochavi eine filmische Nacherzählung gewagt hat. Das Medium: Instagram-Stories, inklusive der typischen Stilelemente wie Emojis, Umfragen und Gesprächen mit den Zuschauern hinter der Selfie-Cam. Eva filmt die Momente, als ihrem Opa die Apotheke genommen wird, als sie die Schule verlassen muss, weil sie Jüdin ist, als sie den Mantel mit dem Judenstern nicht anziehen möchte – und schließlich die Deportation selbst. Die Video-Serie wurde am Holocaust-Gedenktag in Israel veröffentlicht. Es gibt Kritik, es gibt Lob für das Projekt. Am besten seht ihr selbst:
„Was, wenn ein Mädchen im Holocaust Instagram gehabt hätte?“
Öko-Clubbing
Der Klimawandel stellt alles auf den Prüfstand, auch das Clubbing. Immerhin 30 Tonnen CO2 produziert eine mittelgroße Disco per annum, das ist grob das Fünfzehnfache dessen, was ein Mensch in einem Jahr umweltverträglich emittieren darf. In Berlin wird, wie auch in Hamburg und anderen Städten, nun diskutiert, welche Gegenmaßnahmen getroffen werden können. Immerhin 100 Millionen Euro stellt der Hauptstadt-Senat für ein in erster Runde vierjähriges Energie- und Klimaschutzprogramm bereit. Wie können sich die Spielstätten darin einbringen? Was ist sinnvoll, damit Clubbing grüner wird? Das Stadtmagazin „Exberliner“ hat sich bei Vertretern von Clubs wie dem Watergate und dem SchwuZ umgehört. Das Stimmungsbild fällt gemischt aus.
„Twenty years ago, club owners were basically semi-criminals in the eyes of the state. Now we’re ‘drivers of culture.'“
The Designers Republic
Ian Anderson hat das Logo für Warp Records entworfen und jedes einzelne Cover während der ersten zehn Jahre der Label-Geschichte, Poster, Postkarten, T-Shirts etc: Ian Anderson ist die grafische Stimme der musikalischen Heimat von LFO, Autechre, Aphex Twin etc. Die dazu passenden Slogans waren ihm dabei mindestens genauso wichtig wie die Bilder und Grafiken selbst. Lange Zeit war es ruhig um den Briten und seine Firma. Doch seit kurzem verdichten sich die Bemühungen, das eigene Erbe nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Noch dieses Jahr erscheint ein umfangreiches Buch, und auch Instagram brennt mit quadratischer Memorabilia. In einem Interview auf der Webseite von Warp Records blickt der Designer, der eigentlich Journalist werden wollte, auf die Anfänge von tDR zurück. Wie er ganz bewusst nicht nach London, sondern Sheffield zog, weil er die Stadt freundlich und utopisch fand. Wie er seinen Weg in die Musik-Szene fand, Bands managte und eher durch Zufall zum Haus-und-Hof-Designer von Warp Records wurde. Seine Beziehung zu den Künstlern ist dabei genauso interessant wie die Herausforderung, einem Label grafische Identität zu geben, dessen musikalisches Zielen auf den Dancefloor alles andere als langlebig schien, allem Futurismus zum Trotz.
„Our perception of the future really tells us more about us now, our aspirations and our dreams. It’s so temporary and fragile. Nothing dates so badly as ‘the future’“.
Willie Nelson und das Kiffen
Der Texaner Willie Nelson ist einer der großen amerikanischen Songwriter und Country-Gitarristen. Der heute 86-Jährige erzählt in der aktuellen Covergeschichte des amerikanischen Rolling Stone nicht nur aus seinem facettenreichen Leben sondern auch von seiner 65-jährigen Karriere als Kiffer. Nelson sagt nichts anderes als Marihuana hätte sein Leben gerettet. Heute ist der Musiker auch als Unternehmer in dem Boomsektor tätig.
„He has no doubt where he’d be without pot: 'I wouldn’t be alive. It saved my life, really. I wouldn’t have lived 85 years if I’d have kept drinking and smoking like I was when I was 30, 40 years old. I think that weed kept me from wanting to kill people. And probably kept a lot of people from wanting to kill me, too — out there drunk, running around.'“