Auf dem Weg: Zu Besuch bei Karlheinz Brandenburg und dem MP3 – 2. Oktober 2012Eine Kamera, ein Bild und seine Geschichte
14.5.2015 • Gesellschaft – Text & Bild: Fabian ZapatkaIm Fraunhofer Institut gibt es komisch anmutende Versuchsaufbauten.
Eigentlich möchte ich heute nur dieses Bild zeigen.
Irgendwie sind mir die Geschichten rund um meine Bilder in dieser Kolumne mit der Zeit ein wenig entglitten. Begonnen hatte ja alles mit der freundlichen Einladung, Fotos aus meinem Archiv zu zeigen. Zu Beginn wollte ich die Bilder zeigen, die zwischendurch über die Jahre entstanden sind. Oft am Ende oder Anfang des Films. Die regennasse Straße auf dem Heimweg, eine Freundin in der Küche, ein Kinderfußballturnier und dahinter das Tempodrom, zufällig gegenüber vom Foto- Labor. Bilder, für die ich oft, – jenseits der großen und kleinen Fotoarbeiten – keine richtige Verwendung gefunden habe. Im Fokus standen in diesem Jahr nicht nur Orte, sondern wiederholt auch Zusammentreffen mit Freunden, kurze alltägliche Momente, die, unter der Hand, schließlich zu Memorabilia wurden.
Auch zu diesem Foto gibt natürlich eine Geschichte und einen Menschen, ohne den es diese Aufnahme nicht gäbe. Es gab eben einen Weg, der mich und Lorenz Schröter in diesen dunklen Raum geführt hat. Tatsächlich war es sogar ein mitunter schöner Weg. Ganz nahe am Ziel ging es mit einem Bus durch bunte Wälder und über sanfte Hügel durch Thüringen. Aber zurück zum Bild. Zu sehen ist ein Teil des IOSONO Projektes von Karlheinz Brandenburg. Prof. Dr.-Ing. Dr. rer. nat. h.c. mult. Karlheinz Brandenburg. Gern würde ich weiter solche Räume der Technik besuchen. Einrichtungen, an denen geforscht wird. Und die mit derselben Wärme, der gleichen Intensität abbilden, wie die Orte, die ich auf meinen Reisen besucht habe. Man muss nicht verstehen, was da zu sehen ist. Ich denke das Bild kann auch für sich bestehen.
Nun könnte ich berichten wie dieser Professor Brandenburg uns unsicher in seinem Büro gegenüber saß. Der Miterfinder des MP3-Formats. Ohne ihn wäre die Musik nicht frei verfügbar, umsonst und die Musikbranche noch eine ganz andere. Oder aber ich könnte hoffen, dass der Raum einfach für sich wirkt, in all seiner rätselhaften Dunkelheit. Nicht die lange Geschichte dahinter erzählen. Schließlich bin ich ja Fotograf. Wie kam ich aber zu diesem Bild? Also doch zurück zur Anekdote. Es lächelte der Titan des Fraunhofer Instituts sein schüchternes Lächeln, ich hielt mit der Kamera drauf. Eben hatte Lorenz die uns offerierten Kekse und Getränke abgelehnt. Gleich in unser beider Namen. Während des langen Interviews fotografierte ich den Pionier in seinem Büro. Helles Holz und allerlei Mitbringsel in den Einbauregalen. Später wurden wir durch schlichte Flure geführt. Gerade hatte ich eine ganz lustig voll beschriebene Tafel mit Formeln entdeckt. Für mich nur rein grafisch interessant. Da ist dem Lorenz zum Glück noch eingefallen zu fragen, ob wir denn dieses Whiteboard auch abbilden dürften. Nein lieber nicht. Sehr gut und weiter.
Ich verschoss Film nach Film. Einfach so. Irgendwas musste ich ja fotografieren. Wieder eine nicht gerade visuelle Geschichte, dachte ich. Spannender Text, langweiliges Bild. Aber das Erweckungserlebnis, die herrlich abstrakten Forschungsräume, Abbilder des Geistes von Karlheinz Brandenburg, sie kamen noch. Ganz zum Ende unserer Runde, hinter einer unscheinbaren Tür, die vielen Boxen, gesteuert durch einen Computer, durch die IOSONO Software. Egal wo man im Raum steht, der Sound bleibt für den Hörer gleich. Nicht umsonst forscht Karlheinz Brandenburg in der Psychoakustik. Nicht nur das: was wir sehen, auch was wir hören, entsteht zu großen Teilen im Gehirn. So gelang ihm auch die MP3-Komprimierung. Stolz stand er in seinen Forschungsräumen. Oft sind es eben doch die Räume ganz am Rande der Welt, verborgen und doch verbunden mit unserem Alltag, die viel über das große Ganze aussagen.
Nun habe ich also doch die Geschichte hinter dem Bild angerissen. Eigentlich wollte ich doch nur einen Ort der Wissenschaft zeigen. Wie zwei Studenten saßen Lorenz und ich vor dem Institut und teilten den selbst geschmierten Inhalt meiner Brotbox. Nach Polen, dem hohen Kaukasus und den staubigen Ebenen Syriens, war diese unsere vorläufig letzte Reise. Wer mehr erfahren will, den möchte ich noch auf den tollen Text von Lorenz hinweisen, der wirklich keine Fragen offen lässt – auch online zu finden beim DARE.mag.