Auf dem Weg: Letzte Momente in Damaskus / Syrien 2010Eine Kamera, ein Bild und seine Geschichte
3.6.2015 • Gesellschaft – Text & Bild: Fabian ZapatkaEs war ein Nachmittag im Spätsommer des Jahres 2010. Ruhige Feierabendstimmung in der Stadt. Ich ließ mich treiben und erinnerte mich an den Weg nach Damaskus.
An den Sonnenstich kurz vor Hama, nach 150 Kilometern auf dem Asphalt der Bundesstraße. Der müde Blick schweifte zu Beginn vom Lenker hin zum Straßenrand. Hin zu den glitzernden Abfällen zwischen den Bäumen. Später kein Baum, nur mehr Steine und Sand. Schlaflose Nacht im schon vom alten Assad zerstörten Hama mit seinen singenden Wasserrädern. Ich erinnerte mich an die Hitze und die weite Landschaft. An den gnadenlosen Gegenwind auf der Hochebene. Wir lehnten die Rennräder an eine niedrige Mauer, suchten den dürftigen Schatten. Ein alter Mann auf einem Esel schenkte uns Datteln.
Nach einer halsbrecherischen Abfahrt erreichten wir die Vororte von Damaskus. Der Verkehr bei der Einfahrt überforderte mich. Unter der Dusche im Hotel rann der Schmutz schwarz an mir herunter und in den Abfluss. Frisch geduscht trat ich aus dem alten Hotel auf die Straße.
Nach einer langen Suche führte mich ein Einheimischer zu einem freien Internetzugang in einer staatlichen Poststelle. Ich bedankte mich. Er verabschiedete sich – zu meinem Erschrecken, mit einem jovialen Heil Hitler. Mit einem Lächeln überquerte er danach die Magistrale und verschwand in der Masse.
Verwirrt erkundete ich die Hauptstadt. Nichts ahnte ich von meinem Glück, den flüchtigen Alltag noch kurz vor seinem Ende erlebt zu haben. Ich sah viel: Arabische Kuppeln, Minarette, sowjetische Moderne. Schließlich war die Sonne untergegangen. Zur blauen Stunde strömten die Menschen in die Parks und auf die Grünflächen. Sie lagen herum, entspannten sich und rauchten. An einem der größeren Plätze kreuzten sich die Straßen und Wege, wurden zu Hochstraßen und Fußgängerbrücken. Hier schien die sowjetische Epoche mit ihrem Traum von einem besseren Menschen gerade zu Ende gegangen zu sein, während drüben moderne Glasfassaden im kalten Dubai-Chic entstanden. Zwischendrin die Überreste alter Dynastien. Der aktuelle Herrscher schaute Einem von Plakaten und Postern entgegen. Ich fühlte mich in diesem Moment aus der Zeit gefallen. „Endzeit“, dachte ich damals und wusste nichts davon, was ich da dachte. Noch saugte ich die Ruhe auf. Feierabend, der Moment am Tage, um sich zu regenerieren. Meine letzte große Reise für dieses Jahr. Nicht die letzte in den Nahen Osten.
Der Weg sollte uns weiter nach Beirut führen. Zwischen all den Erlebnissen, sticht dieser Moment heraus: die Leichtigkeit, mit der sich die Menschen bewegten und doch gerieten sie in die Strömungen, die zu Strudeln wurden und schließlich zum Schlimmsten hinab führten.