Auf dem Weg: In der Boxengasse am Nürburgring, 2. Juli 2007Eine Kamera, ein Bild und seine Geschichte
20.5.2015 • Gesellschaft – Text & Bild: Fabian ZapatkaDieses Bild entstand hinter den Kulissen des Formel 1 Grand Prix am Nürburgring. Ich muss gestehen, nie ein begeisterter Formel-1-Seher gewesen zu sein. Obwohl ich mit den waghalsigen Rennen im Fernsehen bis heute ein recht warmes Gefühl verbinde, das mich an meine Kindheit und die Wochenenden, eben an mein Zuhause erinnert.
Im Sommer 2007 war ich für einen kurzen Moment überzeugt, einen ersten Höhepunkt meines Schaffens erreicht zu haben. Damals schien mir alles ohne Anstrengung zu gelingen. Nun steckte ich bereits in drei Projekten zur gleichen Zeit, als ich eine Einladung zu dem Formel 1 Rennen auf dem Nürburgring annahm. Die Tour startete am Düsseldorfer Flughafen. Im Leihwagen, meine Assistentin am Steuer, ging es durch sanfte grüne Landschaften hinein in die Eiffel. Mit der Ruhe war es dann aber bald vorbei. Schon die Parkplätze rund um die Rennstrecke waren hoffnungslos überfüllt. Leider hatte ich kein Auge für die enthusiastischen Fans, ihre Fahnen, T-Shirts und andere Devotionalien, mit denen sie sich auf den langen Fußmarsch von ihren Campern in Richtung Rennstrecke machten.
„Und das Dröhnen der Motoren, es wurde immer lauter.“
Ein freundlicher Herr, der uns von Red Bull zur Seite gestellt war, führte uns nun immer tiefer hinein ins Herz des Grand Prix. Eine Sicherheitsschleuse nach der anderen und immer kam ein weiteres Batch hinzu. Am Ende baumelten vier oder fünf verschiedene farbige Plastikschilder um unsere Hälse. Schon im VIP-Bereich dröhnten uns die Motoren in den Ohren. Es war, als ob Flugzeuge im Sekundentakt auf der Strecke starten und landen würden. Gegen den Lärm wurden uns Ohrstöpsel in schicker Red-Bull-Aufmachung überreicht. Durch dicke Glasscheiben sahen einige prominente Gäste hinunter auf die vorbeizischenden Rennwagen. Wir versorgten uns mit Häppchen vom Buffet. Anschließend stiegen wir von den Tribünen hinunter und hinaus ins Freie. Plötzlich standen wir inmitten einer kleinen Stadt. Diese war scheinbar aus riesigen Lego-Steinen errichtet worden. Gewaltige Lastwagen standen nebeneinander aufgereiht zu Wagenburgen. In ihrem Inneren luxuriöse Erholungsgebiete. Mit Cafés, Bars, Pools, geräumigen Apartments – alles für das Rennwochenende errichtet. Und das Dröhnen der Motoren, es wurde immer lauter. Einige Zeit standen wir im Sonnenschein auf der Terrasse eines der Fahrerlager. Uns umgaben schlanke, langhaarige Frauen. Ihrer Kleidung nach zu urteilen, schienen sie direkt aus einem Sportswear-Katalog zu stammen. Kein Wunder, hatten sie doch ein Casting absolvieren müssen, um nun hier als Boxenluder, so nannten sie sich selbst, herumstehen zu können. Nachdem ich offenbaren musste, zwar für die Qvest hier zu fotografieren, aber mit Mode leider nichts zu tun zu haben, ließen sie schließlich von uns ab. Meine Assistentin hatte sich vorsorglich schon die Ohren mit den Ohrenstöpseln gegen die Stimmen der Sirenen verschlossen. Auch diesen bizarren Ort zwischen den Fahrerlagern habe ich damals leider kaum dokumentiert. Doch jetzt wurde es ernst, es ging durch eine finale Sicherheitsschleuse in die Box des Teams von Red Bull.
Der Lärm war trotz Kopfhörer und Ohrenstöpsel ohrenbetäubend. Die Szene allerdings begeisterte mich. Ein Team von englischen Technikern wartete auf die beiden Rennwagen. Hinter ihnen das Rennen. Jeder wartete an seinem ihm zugewiesenen Platz. Kein Zentimeter war zu verschwenden in der Box. Gerade genug Platz, damit ich, meine Kameratasche umgebunden, zwischen den Mechanikern stehen konnte. Tatsächlich kam bald darauf der Rennwagen wie ein Düsenjäger in die Box geschossen. Zu diesem Zeitpunkt erreichte die Lautstärke ihren ungeahnten Höhepunkt. Jeder Handgriff schien Teil einer eingeübten Choreographie zu sein. Film nach Film lief durch meine Kamera. Sinnlose Bilder eines durch Motorenlärm, moderne Autotechnik und rasende Rennwagen geblendeten Fotografen. Später stolperte ich sogar noch auf die Rennstrecke und wurde in letzter Sekunde von einem beherzten Mechaniker vor dem in die Boxengasse rasenden Rennauto gerettet.
Aber wo war am Ende das Bild, das die Begeisterung für die tollkühnen Männer in ihren Rennautos, die auch mich schließlich mitgerissen hatte, eingefangen hätte? Leider blieb meine persönliche Perspektive auf der Strecke. Sie wurde von all dem lauten Getöse überfahren. Auf dem Weg zum Ausgang warf mir unser Begleiter diesen fragenden Blick zu, der auf dem heutigen Foto festgehalten wurde. Immer noch umgeben vom Treiben und dem ständigen Dröhnen sah ich auf einmal verwirrt in die Zukunft. Und mit Recht! Es lag eine verwirrende Zeit voller Enttäuschungen vor mir.