Auf dem Weg: Ein Tierversuch. Irgendwo in Deutschland. 2014Eine Kamera, ein Bild und seine Geschichte
10.12.2014 • Gesellschaft – Text und Bild: Fabian ZapatkaWas bedeutet es ein guter Mensch zu sein? Ich frage mich das oft. Bin ich jemals wissentlich gemein, hinterhältig oder böswillig zu einem anderen Menschen gewesen?
Früher schien alles klar und verständlich. Schwarz und weiß, es war alles so einfach. Heute verschwimmen die Konturen. Mein Handeln wird ambivalent. Es gibt viele Möglichkeiten Einfluss zu nehmen. Fairer Handel, politisches Engagement, bewusster Umgang mit Ressourcen. Wo bleibt mein Einsatz? Ich möchte kurz ausholen. An einem Sommernachmittag besuchte ich 2009 einen Stierkampf in Barcelona. Zusammen mit einigen anderen Touristen saß ich auf leeren Rängen und konnte nichts von diesem Gefühl erleben oder empfinden, dass so viele Spanier mit diesem Ritus verbinden. Nach und nach wurden die Tiere wie auf einer Kette aufgezogen unter der späten Sonne gemetzelt. Einige Katalanen protestierten vor der Arena wütend gegen den brutalen Stierkampf. Ich machte mich deprimiert auf den Heimweg.
Mir blieb das Bild des sterbenden Tieres, das sich mit aller Macht gegen das sichere Ende auflehnt über die Jahre präsent. Damit auch eine Ahnung vom Sterben all der anderen Tiere, die jeden Tag für uns sterben: Für die Berge von Fleisch und andere Waren, die selbstverständlich für unseren Alltag sind.
Aber auch für unsere Gesundheit sterben täglich Tiere. Ich bin kein Experte, hatte mich nie wirklich mit dem Für und Wider von Tierversuchen beschäftigt. Ihrer Notwendigkeit. Mir schien es aber wichtig, mich diesem Teil unserer Realität zu stellen. Also wählte ich dieses Thema für mein allererstes Buch. Über ein halbes Jahr durfte ich irgendwo in Deutschland einen medizinischen Tierversuch begleiten. Ich war überrascht von der Empathie, mit der die Tierpfleger und Ärzte die Tiere halten. Gesetze schreiben in Deutschland vor, dass die Tiere niemals unzumutbares Leid erdulden dürfen. Alle Versuche müssen von einem Gremium, dem neben Ärzten auch Tierschützer angehören, genehmigt werden. Ich habe erlebt, wie sich die forschenden Ärzte dauernd zwei wichtigen Fragen widmeten: Leben zu retten und Leiden zu mindern. Sei es im Versuchslabor oder bei den menschlichen Patienten, um die sie sich kümmerten. Ich musste lernen, dass Grundlagenforschung, um die es sich bei den von mir dokumentierten Tierversuchen handelte, helfen kann, Menschen in Zukunft besser und effizienter zu behandeln. Im Ernstfall würde ich nicht anders auf dem OP-Tisch liegen, dachte ich mir. Wäre den Ärzten genauso ausgeliefert. Mit dem Buch, das demnächst erscheinen wird, möchte ich zusammen mit meinem Verleger James Mckinnon, die Leben all dieser Tiere würdigen und eine Möglichkeit schaffen, selbst einen Blick auf diesen verborgenen, versteckten Alltag zu werfen, der uns jedoch alle betrifft.
Fabian Zapatka ist Fotograf. Er bereist teils Orte, von denen viele von uns nicht mal wissen, dass es sie gibt. Für Das Filter öffnet er jetzt nach und nach sein Archiv. Ein neues Bild und eine neue Geschichte gibt es jeden Mittwoch, nur hier bei uns.
Letzte Woche war Fabian in Geilo.