Auf dem Weg: Coney Island / 30. März 2009Mit zero Dollar in New York

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Leonardo DiCaprio, Volker Schlöndorff, Andy Warhol und ein Fenster mit Sprung.

Desaster von Tag Eins an. Mit einem Lächeln dachte ich daran, wie mich die Stewardess an Bord der Air-France-Maschine auf Französisch begrüßt hatte. Im Gegensatz zu den anderen Passagieren ging ich scheinbar als Franzose durch. Unbedacht ließ ich nach dem Aufwachen in meinem Economy-Class-Sitz die Wolldecke im Flieger zurück. Nach dem Auftauchen aus dem Untergrund und der Ankunft in der Wohnung, öffnete ich die Tür zu meinem Zimmer, in dem ich während meines Aufenthalts in New York wohnen sollte – eine Fabriketage in Brooklyn. Der Hauptmieter – ein bärtiger Handwerker – hatte viele dünne Wände eingezogen und vermietete die Zimmer nun an zwei Pärchen, eine Austauschstudentin, die nie aus ihrem Zimmer kam, und einen seltsamen Typen mit Katze. Es sollte möbliert sein, das Zimmer, doch Möbel konnte ich leider keine entdecken. Kein Bett, keine Matratze. Es wehte mir allerdings ein frischer Wind entgegen, denn das einzige Fenster, natürlich mit Blick auf die Feuerleiter, hatte einen Sprung. Daher der eisige Wind. Eine Matratze konnte ich noch auftreiben, leider kein Bettzeug. So musste ich den elektrischen Heizlüfter voll aufdrehen und direkt neben meinem Lager aufstellen. Wo war nun die Decke aus dem Flieger?

Am nächsten Morgen wachte ich deshalb in meinen Klamotten und mit einem trockenen Hals auf, um dann auch noch die Katze an meiner Seite zu finden. Trotz meiner Versuche sie, wegen meiner Katzenallergie, von mir fern zu halten, schaffte sie es doch immer wieder in mein Zimmer. Morgens traf man selten jemanden in der geräumigen Wohnküche. Die neu zugezogenen New Yorker mussten früh los zur Arbeit, um sich die Stadt leisten zu können. Irgendwie ging alles schief auf dieser Reise. Vergeblich versuchte ich den großen amerikanischen Erzähler James Salter zu portraitieren. Vergeblich wartete ich auf meine Schwester, die hier einen jungen Dichter treffen sollte. Vergeblich hoffte ich auf meinen Freund Lorenz Schröter, der hier eine Ausstellung seines Freundes Florian Süßmair besuchen wollte. So tranken ich und mein Freund Ruben viel zu viel Filterkaffee und fuhren mit der Seilbahn über den East River. Nach dem Ausstieg wurden wir, rothaarige Deutsche, von enthusiastischen jungen Männern gefragt: „Are you jewish?” So legte New York den Finger auf unsere Wunden. Wir interviewten irgendwann die Warhol-Muse Ultra Ultraviolet. Aber auch daraus ist irgendwie nie etwas geworden. Ruben leistete eigentlich hauptsächlich seiner Freundin Gesellschaft. Er musste allerdings bald schon wieder traurigen Mutes abreisen. Ich blieb zurück.

Nach einigen vergeblichen Versuchen, noch einmal Dollar aus einer cash mashine zu bekommen, musste ich kapitulieren und durchstreifte ohne Ziel die Straßen. Kein Geld für das Empire State Building, auf dessen Aussichtsplattform ich einmal gemeinsam mit meinem Vater dem bayerischen Thronfolger begegnet war. Auch für eine Bootstour rund um die Insel reichten meine Finanzen nicht mehr. Als Kind hatte ich einmal gegen den Widerstand meiner lieben Mutter sämtliche Brücken um Manhattan fotografisch von Boot aus dokumentiert. Wenigstens dem freundlichen Volker Schlöndorff bin ich am Washington Square über den Weg gelaufen. Im Nieselregen riet er mir, nach Montauk zu reisen. Da auch dies meine Ressourcen nicht mehr hergaben, fuhr ich nach Coney Island. Ich freute mich über die kyrillischen Straßenschilder in Brighton Beach und über den Atlantik. Nur noch über die Straße, hinter Nathans World Famous Frankfurter, lag er. Was einem Ungeheuer in Panik in New York 1953 nicht gelungen war, der Zeit ist es gelungen. Leider wurden nach und nach die Fahrgeschäfte abgebaut. Zum Glück standen 2009 noch genügend pittoreske Attraktionen – im späten Licht, als ich den Strand entlang spazierte. Zusammen mit einem alten Rabbi lehnte ich mich an ein Geländer und sah auf die Wellen. Wenige Meter weiter drehte Leonardo DiCaprio einen Film. Nach Sonnenuntergang fuhr ich zurück nach Brooklyn und wenig später auch wieder zurück nach Berlin.

Fabian Zapatka ist Fotograf. Seit über einem Jahr öffnet er sein Archiv für Das Filter und erzählt uns die Geschichten dahinter. Ein neues Bild und eine neue Geschichte gibt es jeden Mittwoch, nur hier bei uns. Beim letzten Mal war Fabian in einer Berliner Turnhalle unterwegs.

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