Auf dem Weg: Berghain, 2014Eine Kamera, ein Bild und seine Geschichte
17.12.2014 • Gesellschaft – Text & Bild: Fabian ZapatkaDies ist die Geschichte von Anton.
Der Anfang des Films. Den Film in die Kamera einlegen, einfädeln und Bild für Bild aufspulen.
Bei meiner Leica MP geschieht dass alles manuell. So lassen sich immer noch ein paar mehr Bilder auf den Film quetschen. Manche dann eben aber nur zur Hälfte.
Hier ein Bild von Anton. Anton kenne ich schon ewig, seit vierzehn Jahren etwa. Da waren wir noch jung. Ich immerhin schon zweiundzwanzig und er vier oder fünf. Vielleicht könnte man jetzt denken, passend zum Halbstarken, ein halbes Bild. Keinesfalls. Irgendwie gefällt mir diese Leerstelle auf dem Bild. Auch, dass sie eben ganz unabsichtlich entstanden ist.
Unser Bild ist gar nicht zufällig entstanden, sondern mit voller Absicht, vor dem Berghain.
Der gefragte Autor David Schelp und ich versuchten Anfang des Jahres über Anton eine Reportage für das „Jetzt Magazin“ in München zu fotografieren. Weshalb wir auch wie Touristen im legendären Berghain empfangen wurden. Aber wie sollten unsere Gesprächspartner Marcel Dettmann und Ben Klock auch ahnen, dass es sich bei Anton und David um tatsächlich echte Berliner handelt. Anton hatte die beiden ausgesucht. Es ging nämlich in unserer Reportage darum, wie man heute DJ wird und warum. Anton legt also auf. Inzwischen auch häufig. Einmal durfte ich dabei sein, auf einer sandigen Wiese am Kanal, bei einem kleinen illegalen, geheimen Open Air.
Wie so oft wegen den Fotos. Schön war es. Er stand da ganz konzentriert, in der gefühlten Mitte der Tänzer, hinter den Turntables und legte seine Musik auf. Dabei wirkte er sehr konzentriert und jede Bewegung ganz bewusst ausgeführt. Was noch bemerkenswerter ist, wenn man weiß, dass es sein erster richtig großer Auftritt war, noch dazu an seinem Geburtstag. Seine Freunde waren da. Die Polizei war auch schon da gewesen. Sein Vater ebenfalls. Das Aggregat, das die Power für die Musik liefern sollte, war nicht stark genug für die riesenhaften, ausgeliehenen Boxen. Es musste ein neues beschafft werden. Tja, so begann alles chaotisch und sehr verspätet.
Aber dann diese Ruhe und Entschiedenheit auf seiner Seite, hinter dem improvisierten DJ-Pult. Da kann mann dann wahrscheinlich von Talent sprechen.
Überhaupt hat der Anton viele Eigenschaften, die man selbst gern hätte. Im Berliner Nachleben um 2014 kann man davon häufig erfahren.
Im Privaten kocht Anton mit viel Mühe für seine Freundin. Schaut ohne Plan tolle Filme. Hört immer die richtige Musik, egal ob Pop, Klassik, oder Deep House. Er verrät auch im Polizeigewahrsam niemanden. Und er liebt seine Eltern. Er singt und swingt jeden Tag aufs Neue, auch wenn dieser gar nicht so begonnen hat wie gedacht. Kleidet sich wie ein Skinhead oder ein Grunger und liegt damit ganz entspannt voll im Trend.
So kommen zu seinem Geburtstag gern mal zweihundert Menschen.
Häufig hört man irgendwo, für den Anton mach ich doch alles. Leider ist auch beim Anton nicht alles so ideal gelaufen. Die Schule blieb so z.B. auf der Strecke. Überhaupt lässt er sich Zeit.
Aber auch das ist doch eigentlich ganz erstrebenswert. So war er der Einzige von uns dreien, die wir da draußen vorm Berghain gewartet haben, der nicht nervös war. Er wusste, warum er dort war und was er von den beiden DJs wollte.
The Kid is alright.
Fabian Zapatka ist Fotograf. Er bereist teils Orte, von denen viele von uns nicht mal wissen, dass es sie gibt. Für Das Filter öffnet er jetzt nach und nach sein Archiv. Ein neues Bild und eine neue Geschichte gibt es jeden Mittwoch, nur hier bei uns.