Too Big to Fail? Einige Beobachter rechneten damit, dass Disney mit der Marvel Comics Verfilmung Ant-Man einen Flop hinlegen würde. Die bisherigen Besucherzahlen aus den USA sprechen jedoch eine andere Sprache. Tim Schenkl war für uns bei der Berliner Pressevorführung.
Berlin, 06.07.2015. Disney lädt zur Pressevorführung ihrer neuesten Marvel Comics Adaption Ant-Man ins Cinestar am Potsdamer Platz. Am Eingang des Kinos hat sich eine kleine Schlange gebildet. Alle Journalisten, die über den Film berichten wollen, müssen sich wie immer in eine Liste eintragen. Die meisten Wartenden sind männlich und vom Alter zwischen 25 und 55, genau wie ich also. Vor mir steht der Splatter-Filmemacher Jörg Buttgereit. „Was will der denn hier?“, frage ich mich. Ein Blick auf seinen Wikipedia-Eintrag informiert mich darüber, dass er auch regelmäßig Filmkritiken schreibt. Das erklärt einiges. Plötzlich kommt ein ehemaliger Kommilitone auf mich zu, er ist offensichtlich an der Durchführung des Screenings beteiligt. „Hallo. Ich wusste gar nicht … Haben wir uns schon mal bei einer PV getroffen?“ „Ich glaube nicht.“ „Du magst wohl keine Disney Filme?“ Ich weiß nicht, was ich antworten soll, — so genau habe ich darüber noch nie nachgedacht — und murmele irgendetwas Unverständliches in mich hinein. „Wahrscheinlich hat er recht“, denke ich mir, während ich den Kinosaal betrete.
Ungewöhnlich voll heute. Fast alle Plätze sind belegt. Befreundete Gesichter kann ich jedoch keine entdecken, dafür sind ein ehemaliger MTV-Moderator und Oliver Kalkofe am Start. Das Licht geht aus. Ich setze widerwillig meine 3D-Brille auf. Als Brillenträger hasse ich die 3D-Technik schon allein aus dem Grunde, weil man sich jedes Mal wieder einfach total bescheuert vorkommt, wenn man sich zwei Brillen übereinander auf die Nase setzen soll. Dass Ant-Man gar nicht in 3D gedreht wurde, sondern der Effekt aus finanziellem Kalkül nachträglich dazugerechnet wurde, verstärkt meine Frustration noch.
Vor dem eigentlichen Film laufen zwei Trailer aus dem Hause Disney: Bei Zootopia handelt es sich anscheinend um einen relativ charmanten Animationsfilm über eine Welt ohne Menschen, in der die Tiere anthropomorphe Charakteristika aufweisen. Früher richteten sich Disneys Animationsfilme, damals sagte man noch Zeichentrickfilme, so gut wie ausschließlich an Kinder und Jugendliche. Diese Zeiten sind längst vorbei! Heute soll ganz offensichtlich die ganze Familie angesprochen werden. Ich muss gestehen, dass mich diese Art von Film nicht im Geringsten reizt und ich seit Ice Age (2002) keinen Animationsfilm mehr im Kino gesehen habe.
Ein Spaß für die ganze Familie
Spätestens seit einem Besuch mit meinem Neffen im nur wenige Meter vom Cinestar entfernten Legoland weiß ich, dass auch die Star Wars Saga heute bereits von 5-Jährigen geliebt wird. Erst liefen wir durch eine Star Wars Welt aus Legosteinen, später inspizierten wir dann gemeinsam im hauseigenen Shop die diversen Bausätze von Raumschiffen, deren Name ich nicht kannte, weil meine Eltern während meiner Kindheit Georg Lucas’ berühmte Trilogie nicht für die richtige Unterhaltung für ihren Sohn hielten und ich später, als ich die Filme dann in ihrer restaurierten Form in Kino sah, wahrscheinlich schon zu alt war, um noch nachempfinden zu können, wovon so viele meiner Altersgenossen, die mit den Filmen groß geworden waren, schwärmten. Darauf folgten dann Episode 1, 2 und 3, und ich war endgültig abgeturnt vom Star Wars Universum. Als wären diese drei mehr oder minder schweren Verbrechen am Kinopublikum und vor allem am eigenen Mythos niemals passiert, hält Jung und Alt momentan wieder den Atem an, denn J.J. Abrams versucht sich gerade daran, einen neuen Star Wars Film ganz im Stile der Originale zu kreieren, und wie ich an der Reaktion der meisten meiner Kollegen auf den Trailer zu diesem in der Weihnachtszeit in die Kinos kommenden Werk entnehmen kann, stehe ich mit der Meinung, einen 72-jährigen Harrison Ford wolle nun wirklich keiner mehr als Han Solo gemeinsam mit Chubaka durch die Galaxie reisen sehen, wohl relativ allein da.
Dann geht es los mit Ant-Man. Paul Rudd spielt den Kleinkriminellen Scott Lang. Ich mochte ihn in den Filmen von Judd Apatow immer sehr, und I Love You, Man, wo Rudd sich gemeinsam mit Jason Segel am Male-Bonding versucht, fand ich brillant. Mal sehen, wie er sich als Superheld macht. Zu Beginn des Films wird Scott aus dem Gefängnis entlassen. Aus Liebe zu seiner Tochter, die während seines Aufenthalts in der Haftanstalt von seiner Ex-Frau Maggie und deren Polizisten-Boyfriend großgezogen wurde, versucht sich Scott an einem legalen Beruf im Niedriglohnsektor. Doch als ehemaliger Knacki scheint ihm nicht einmal dies vergönnt, und so lässt er sich von seinem besten Freund Luis (Michael Peña) zu einem erneuten Einbruch überreden. Er dringt in eine Villa ein, doch hinter der geknackten Safetür findet er nicht die erhoffte fette Beute, sondern lediglich einen komisch anmutenden Anzug. Er entwendet diesen und stellt zuhause angekommen fest, dass er sich mit dessen Hilfe auf Miniaturgröße schrumpfen kann. Nach einigem Hin und Her trifft Scott dann auf den gealterten Wissenschaftler Hank Pym (Michael Douglas) und dessen Tochter Hope (Evangeline Lilly). Diese wollen ihn dazu bringen, im Ant-Man-Kostüm in Hanks ehemalige Firma einzudringen, um den Prototypen des Yellowjackets, eine Art Duplikat des Ant-Man-Anzugs, zu zerstören. Dieser soll zukünftig für militärische Zwecke eingesetzt werden, was nach Hanks Einschätzung fatale Auswirkungen hätte.
Dreiste Cross-Promotion
Vor dem Kinostart vor einer Woche in den USA wurde darüber spekuliert, ob Disney eventuell mit Ant-Man seinen ersten Marvel-Flop hinlegen würde. Der Versuch, mit Paul Rudd und dem Co-Autoren Adam McKay (Step Brothers, Anchorman) gleich zwei Akteure aus dem Komödienfach zu verpflichten, wurde durchaus kritisch beäugt. Nachdem der Film in seiner Startwoche bereits über 58 Millionen Dollar einspielte und somit bereits fast die Hälfte seiner vermuteten Produktionskosten wieder hereinholte, scheint diese Sorge wohl unbegründet. Die Stimmung während des Screenings schien mir bei den meisten Kollegen auch ausgesprochen gut zu sein. Besonders laut wurde gelacht, als Scott in einer Szene über eine graue Fabrikhalle fliegt, auf der ein großes, blaues A zu sehen ist. Ich verstand zuerst nicht, warum dies dermaßen große Heiterkeit hervorrief, bis ich merkte, dass es sich hierbei um einen von vielen Verweisen auf das Schwester-Franchise Avengers handelte. Diese äußerst dreiste Cross-Promotion erinnert einem beim Zuschauen immer wieder daran, dass es sich bei den Marvel-Filmen ganz offensichtlich nicht um eigenständige Werke, sondern um auf möglichst viele Anknüpfungspunkte und Serialität bedachte Produkte eines riesigen Unterhaltungsimperiums handelt.
Auf dem Nachhauseweg blättere ich in der Pressemappe, die man sich nach der Vorstellung mitnehmen konnte. Michael Douglas erzählt in dieser, dass seine Kinder sich noch nie für einen seiner Filme interessiert hätten, ihn jedoch seit er in Ant-Man mitgespielt habe, in einem ganz anderen Licht sähen. Wieder konsultiere ich mein Smartphone. Douglas Sohn Dylan ist vierzehn, seine Tochter Cary zwölf. Mir erscheint es einigermaßen logisch, dass ihnen eine Comic-Buch-Verfilmung wie Ant-Man gefällt. Warum sich jedoch jede Menge erwachsener Menschen für die Geschichte eines arbeitslosen Ex-Häftlings interessieren, der seine Probleme im Leben löst, indem er sich mit Hilfe eines Anzugs auf Ameisengröße schrumpft, um dann die Welt vor der Kriegskatastrophe zu retten, bleibt mir weiterhin schleierhaft.
Ant-Man
USA 2015
Regie: Peyton Reed
Drehbuch: Edgar Wright, Joe Cornish, Adam McKay, Paul Rudd
Darsteller: Paul Rudd, Michael Douglas, Evangeline Lilly, Michael Peña, Bobby Cannavale, T.I., Judy Greer, Corey Stoll
Kamera: Russel Carpenter
Musik: Christophe Beck
Laufzeit: 115 min
ab dem 23.7.2015 im Kino